Kein Untersagungsverfahren gegen Lufthansa wegen Streichung der Reisebüro-Provisionen

26.07.2004

Das Bundeskartellamt in Bonn hat nach eingehender, mehrmonatiger Prüfung entschieden, kein Untersagungsverfahren gegen die Deutsche Lufthansa AG wegen der Streichung der Grundprovision für die Reise­büros einzuleiten.

Kartellamtspräsident Böge: „Der Schritt der Lufthansa verändert zweifellos die wirtschaftlichen Bedingungen in der Reisebüro-Branche. Dennoch kann man auch marktstarke und sogar marktbeherrschende Unternehmen nicht auf Dauer an kündbare Verträge binden. Sie müssen die Möglichkeit haben, Kostensenkungen zu realisieren, wie es die Lufthansa durch die Umstellung des Vertriebssystems beabsichtigt. Für das Bundeskartellamt war dabei aber wichtig, dass die Lufthansa den Reisebüros eine angemessene Umstellungsfrist eingeräumt hat und die Reisebüros die Chance haben, ihre Dienstleistungen künftig direkt mit den Kunden abzurechnen. Die Lufthansa hat dem entsprochen. Alles andere wäre eine unbillige Behinderung gewesen.“

Nach den Feststellungen des Amtes verstößt die Lufthansa nicht gegen das kartellrechtliche Verbot des Machtmissbrauchs. Lufthansa unterliegt zwar als führen­der Anbieter von Luftverkehrsleistungen in Deutschland, insbesondere im Hinblick auf die Abhängigkeit der IATA-Reisebüros von der Vermittlung von Lufthansa-Flügen, der Missbrauchsaufsicht. Allerdings ist die Umstellung des Vertriebssystems der Lufthansa zwecks Kosteneinsparung keine unbillige Behinderung der Reisebüro-Partner.

Grundsätzlich muss auch ein marktstarkes Unternehmen einen unternehmerischen Ge­staltungsspielraum in betriebswirtschaftlicher Hinsicht nutzen können. Dabei hat es aber auf die Abhängigkeit kleiner und mittlerer Unternehmen Rücksicht zu nehmen, z. B. bei der Einräumung von Umstellungszeiten. Dies hat Lufthansa mit der Einhaltung einer den rechtlichen Erfordernissen genügenden Frist von mindestens sechs Monaten getan. Mit der Erhebung eines Zuschlags von 30 bzw. 45 Euro für ihren Eigenvertrieb, eröffnet Lufthansa den Reisebüro-Partnern auch wirtschaftlich eine Preisspanne für ein eigenes Service-Entgelt, um sich die eigene Vermittlungsleistung für den Kunden vergüten zu lassen.

Dem gegenüber treten die spezifischen Leistungen der Reisebüros für die Lufthansa zurück. Auch die vom Bundeskartellamt herangezogene Prozesskostenanalyse weist keine besonderen, der Luftfahrtgesellschaft zugerechneten Leistungen aus. Die neuen Vertriebsverträge sehen im Wesentlichen keine Vertriebspflichten der Reisebüros vor, sondern erlauben ihnen den Zugriff auf Lufthansa-Flugscheine und die bisherigen Vergünstigungen aller IATA-Agenturen. Soweit Reisebüros derzeit Abrechnungsleistungen aus Stornierungen oder Umbuchungen für Lufthansa erbringen, hat diese angekündigt, die Prozessabläufe so umzustellen, dass künftig diesbezüglich keine Leistungsverpflichtungen der Reisebüros mehr bestehen. Auch das Risiko des Zahlungsausfalls (Delkredere) wird Lufthansa für bestimmte Zahlungsarten zukünftig selbst versichern. Schließlich stellt Lufthansa den Reisebüros weiterhin kostenlose Leistungen und Fördermaßnahmen zur Verfügung (Software, Buchungs- und Abrechnungssysteme, Incentives).

Kartellamtspräsident Böge: „Nach umfassender Abwägung aller Interessen stellt sich die Streichung der Grundprovision nicht als eine unbillige Behinderung im Sinne des Kartellrechts dar. Das künftig vom Kunden direkt zu erhebende Service-Entgelt führt zu mehr Transparenz und zu (Preis-)Wettbewerb unter den Reisebüros.“

Bei der kartellrechtlichen Bewertung ist offen gelassen worden, ob den Reisebüros aus handelsrechtlichen Gründen ein Anspruch auf Vergütung zusteht, falls sie unverändert als Handelsvertreter für Lufthansa tätig sind. Diese Frage ist Gegenstand einer zivilrechtlichen Auseinandersetzung des Deutschen Reisebüroverbandes mit der Lufthansa.

English version

  • No prohibition proceedings against Lufthansa’s cancellation of travel agencies’ commission