Kartellverfahren sind eine kriminalistische Herausforderung. Liegen konkrete Anhaltspunkte für illegale Absprachen vor, wird in den meisten Fällen eine Durchsuchungsaktion geplant und durchgeführt. Im Anschluss müssen Zeugen vernommen und Beweismittel ausgewertet werden. Ist das Kartell nachgewiesen, können hohe Bußgelder verhängt werden.
Die Aufdeckung eines Kartells
Illegale Kartelle finden im Verborgenen statt. Die daran beteiligten Personen und Unternehmen sind auf höchste Geheimhaltung bedacht. Hinweisen von beteiligten oder betroffenen Personen und Unternehmen kommt deshalb eine große Bedeutung zu.
Es gibt verschiedene Quellen, die zur Aufdeckung von Kartellen führen können. Das Bundeskartellamt erhält beispielsweise Anhaltspunkte für illegale Absprachen von Informanten aus dem Markt. Dabei kann es sich sowohl um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eines am Kartell beteiligten Unternehmens handeln oder um betroffene Lieferanten oder Kundinnen und Kunden. Hinweise können auch von anderen Behörden kommen.
Das Bundeskartellamt führt auch eigene Recherchen durch oder geht neuen Hinweisen aus bereits laufenden Verfahren bzw. Untersuchungen nach. Zunehmende Bedeutung gewinnen in diesem Zusammenhang auch IT-gestützte Auswertungsinstrumente, mit denen beispielsweise das Bieterverhalten verschiedener Unternehmen im Rahmen von Ausschreibungen oder das Preissetzungsverhalten in einer Branche systematisch analysiert werden kann.
In der Regel haben Hinweise einer Person, die sich und ihre Beziehung zu dem Kartell offenlegt, einen höheren Beweiswert als anonyme Hinweise und sind deshalb von größerem Nutzen für die Kartellverfolgung. Es kann aber Situationen geben, in denen Insider aus Angst vor negativen Konsequenzen oder gar Repressalien sich davor scheuen, Informationen weiter zu geben. Das Bundeskartellamt verfügt für diese Fälle auch über ein IT-gestütztes Hinweisgebersystem, über das Hinweise auf Kartelle anonym abgegeben werden können. Eine technische Rückverfolgung eines Hinweises ist nicht möglich.
Eine besondere Bedeutung kommt dem Kronzeugenprogramm des Bundeskartellamtes zu.
Die Kronzeugenregelung kurzgefasst
Wer als erster Teilnehmer an einer Kartellabsprache ein bislang dem Bundeskartellamt nicht bekanntes Kartell aufdeckt, erhält einen Bußgelderlass („Windhundprinzip“). Ein Bußgelderlass ist auch zu einem späteren Zeitpunkt möglich, wenn dem Bundeskartellamt entscheidende Beweismittel zur Verfügung gestellt werden, ohne die das Kartell nicht nachweisbar gewesen wäre. Ausgeschlossen vom Erlass sind Mitglieder eines Kartells, die andere zur Teilnahme an dem Kartell gezwungen haben.
Für alle übrigen, späteren Kronzeugenantragsteller kann es eine Bußgeldminderung von maximal 50 Prozent der Geldbuße geben, wenn sie mit dem Bundeskartellamt kooperieren und Beweismittel vorlegen, die wesentlich dazu beitragen, die Tat nachzuweisen.
Voraussetzung für Erlass und Minderung ist eine dauerhafte und uneingeschränkte Zusammenarbeit mit dem Bundeskartellamt während des gesamten Verfahrens.
Vier Hersteller von Feuerwehrfahrzeugen haben sich über Jahre hinweg den Markt untereinander aufgeteilt, indem sie sich gegenseitig bestimmte Verkaufsanteile, sog. „Soll-Quoten“, am Gesamtmarkt zugesichert haben. Wenn Kommunen im Rahmen von Ausschreibungen neue Feuerwehrfahrzeuge beschaffen wollten, haben die Unternehmen abgesprochen, wer welche Aufträge erhalten soll. Bei geheimen Treffen am Züricher Flughafen und unter Einschaltung eines in der Schweiz ansässigen Wirtschaftsprüfers wurden die Quoten bestimmt und die Aufträge verteilt.
Wie konnte das Bundeskartellamt den Fall aufdecken?
Hinweise
Das Bundeskartellamt erfährt von möglichen Kartellverstößen i.d.R. durch Hinweise, etwa von Mitarbeitern, Kunden oder Kronzeugen, oder aufgrund von eigenen Erkenntnissen aus anderen Verfahren. Die eingehenden Hinweise werden dann auf ihre Plausibilität und Bedeutsamkeit geprüft. Im Fall der Feuerwehrfahrzeuge ist das Bundeskartellamt durch eine anonyme Anzeige auf die Absprachen aufmerksam geworden.
Durchsuchung
Bei einem hinreichenden Anfangsverdacht kann das Bundeskartellamt Durchsuchungen bei den Unternehmen oder in Privatwohnungen durchführen, um Beweise sicherzustellen. Im Feuerwehrfahrzeug-Kartell hat das Bundeskartellamt im Zeitraum von Mai 2009 bis Juli 2010 insgesamt vier Durchsuchungsaktionen durchgeführt. Dabei wurde es bei zwei Durchsuchungen in Österreich von der österreichischen Wettbewerbsbehörde unterstützt.
Auswertung der Unterlagen
Die Unterlagen aus der Durchsuchung werden dann ausgewertet. Gegebenenfalls geben einige Unternehmen freiwillig weitere Informationen und Unterlagen heraus, um dadurch eine Reduzierung des Bußgeldes zu erreichen. Im Feuerwehrfahrzeug-Kartellverfahren kooperierten alle vier Hersteller.
Vernehmung
Neben schriftlichen Beweisstücken spielen auch Vernehmungen eine wichtige Rolle. Sowohl die Beschuldigten als auch Zeuginnen und Zeugen werden vorgeladen. Im Kartellverfahren Feuerwehrfahrzeuge wurden über 20 Personen vernommen.
Verhängung des Bußgelds
Im Bußgeldbescheid des Bundeskartellamtes wird der Tathergang beschrieben, das Verhalten rechtlich bewertet und das Bußgeld festgelegt. Im Feuerwehrfahrzeug-Kartell hat das Bundeskartellamt in den Jahren 2011/2012 Geldbußen von rund 50 Millionen Euro gegen die vier Unternehmen und einen beteiligten Wirtschaftsprüfer verhängt.
Gegebenenfalls: Gerichtsverfahren
Wenn die Unternehmen die Geldbuße nicht akzeptieren, können sie gegen den Bußgeldbescheid Einspruch einlegen. Für diese Überprüfung ist immer das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf zuständig. Gegen die Entscheidungen des OLG ist wiederum die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof in Karlsruhe möglich. Im Feuerwehrfahrzeug-Fall hatte ein Unternehmen zunächst Einspruch eingelegt, aber diesen später wieder zurückgezogen, sodass auch dieses Bußgeld rechtskräftig wurde.
Sanktionen und Bußgeldhöhe
Das Bundeskartellamt kann Bußgelder in empfindlicher Höhe verhängen. Die Geldbuße gegen die verantwortlichen Personen beträgt bis zu einer Million Euro. Die Unternehmen sowie Unternehmensvereinigungen können mit bis zu zehn Prozent ihres Jahresumsatzes belangt werden. Die konkrete Höhe des Bußgeldes ist abhängig von der Schwere und der Dauer der Tat. Die Zumessung erfolgt unter Berücksichtigung aller erschwerenden oder mildernden Umstände im Rahmen einer umfassenden Gesamtabwägung. Dabei kann insbesondere auch der sogenannte tatbezogene Umsatz, also der Umsatz mit Produkten oder Dienstleistungen, die Gegenstand des Kartells waren, eine Rolle spielen (siehe dazu § 81 GWB sowie die Bußgeldleitlinien des Bundeskartellamtes). Berücksichtigt wird auch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Unternehmen.
Die vereinnahmten Bußgelder gehen an den Bundeshaushalt und kommen so mittelbar allen Verbraucherinnen und Verbrauchern zu Gute.
Ausgewählte Höchstbußgelder in Euro*
Jahr
Kartellverfahren
Summe der verhängten Bußgelder
Davon höchstes verhängtes Einzelbußgeld gegen ein Unternehmen
2020
Aluminiumschmieden
174.841.500
145.000.000
2020
Pflanzenschutzmittel
157.817.170
68.600.000
2019
Quartobleche
646.405.000
370.000.000
2018
Edelstahl
304.050.050
118.000.000
2014
Bier
338.000.000
160.000.000
2014
Wurst
338.500.000
128.050.000
2014
Zucker
281.700.000
195.500.000
2009
Kaffee
159.000.000
83.000.000
2008
Tondachziegel
188.081.000
66.280.000
2007
Flüssiggas
249.000.000
67.200.000
2003
Zement
396.000.000**
175.900.000
* Gerundete Werte. Wegen Rechtsanhängigkeit bei Gericht sind noch nicht alle Geldbußen rechtskräftig.
** Nach Urteil des BGH im Jahr 2013 insgesamt rechtskräftig gewordene Summe.
Ein Bußgeldverfahren kann durch eine einvernehmliche Verfahrensbeendigung (sog. Settlement) abgeschlossen werden. Ein Settlement kann bei Kartellabsprachen zu einer Minderung der Geldbuße um maximal zehn Prozent führen. Durch eine einvernehmliche Beendigung werden Ressourcen gespart und die oft langwierigen Kartellverfahren verkürzt.
Ein Settlement erfordert eine geständige Einlassung und die Abgabe einer sog. Settlement-Erklärung, in der das Unternehmen bzw. der persönlich Betroffene erklärt, dass der zur Last gelegte Sachverhalt als zutreffend anerkannt und die Geldbuße bis zur Höhe des in Aussicht gestellten Betrages akzeptiert wird. Ein Rechtsmittelverzicht ist nicht Gegenstand einer Settlement-Erklärung.
Sonstige Folgen
Ziel der Kartellverfolgung ist es, Kartelle zu sanktionieren, aber auch, eine möglichst große Abschreckungswirkung zu erreichen. Unternehmen sollen davon abgehalten werden, überhaupt erst ein Kartell zu bilden. Wird ein Kartell aufgedeckt, droht den Unternehmen und den verantwortlichen Managern ein empfindliches Bußgeld. Darüber hinaus ist der Imageschaden, den ein Kartellant in der öffentlichen Meinung erfährt, oft beträchtlich. Außerdem gibt es im Nachgang von Kartellverfahren zumeist umfangreiche Schadensersatzforderungen von Kartellopfern gegen die Kartellanten. Entsprechend bemühen sich immer mehr Unternehmen um wirksame Compliance-Maßnahmen, um Kartellverstößen vorzubeugen.
Sonderfall – Submissionsbetrug
Bei der Bildung eines Kartells im Rahmen von Ausschreibungen – dem sogenannten Submissionsbetrug bei öffentlichen Ausschreibungen – drohen den verantwortlichen Personen neben Geldstrafen sogar Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren (vgl. § 298 StGB). Die Unternehmensvertreter werden dabei nicht vom Bundeskartellamt, sondern von der Staatsanwaltschaft verfolgt. Das Bundeskartellamt kann aber parallel Bußgeldverfahren gegen die betroffenen Unternehmen führen.
Das Bundeskartellamt hat der Verfolgung illegaler Absprachen stets eine hohe Priorität eingeräumt. Durch verschiedene Maßnahmen konnte in den letzten 20 Jahren die Effektivität der Kartellverfolgung stetig verbessert werden:
Die Entwicklung der Kartellverfolgung
Jahr
Maßnahme
2000
Einführung eines Kronzeugenprogramms
2002
Einrichtung der Sonderkommission Kartellbekämpfung „SKK“
2005
Einrichtung einer auf die Kartellverfolgung spezialisierten Beschlussabteilung
2006
grundlegende Überarbeitung der Kronzeugenregelung
2006
Einführung von Bußgeldleitlinien
2008
Einrichtung einer weiteren auf die Kartellverfolgung spezialisierten Beschlussabteilung
2011
Einrichtung einer dritten auf die Kartellverfolgung spezialisierten Beschlussabteilung
2012
Einrichtung eines anonymen Hinweisgebersystems
2013
Überarbeitung der Bußgeldleitlinien
2017
Gesetzeslücke bei der Bußgeldhaftung wird geschlossen („Wurstlücke“). Umsetzung der Schadensersatzrichtlinie
2021
Kodifizierung des Kronzeugenprogramms
2021
Bundeskartellamt wird zusätzlich Verfolgungsbehörde in Gerichtsverfahren
Hinweise von Unternehmen und Verbraucherinnen und Verbrauchern sind ein zentrales Instrument zur Aufdeckung von Verstößen gegen das Kartellrecht. Entsprechende Hinweise – insbesondere von Insidern, die von einem Verstoß als Mitarbeiter oder Vertragspartner erfahren haben – nimmt das Bundeskartellamt dankbar entgegen, auch anonym und digital.
Preisabsprachen und andere wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen zwischen Unternehmen sind grundsätzlich verboten. Das Bundeskartellamt kann gegen die verantwortlichen Personen und Unternehmen empfindliche Bußgelder verhängen.
Es besteht die Möglichkeit der privaten Kartellrechtsdurchsetzung. Wer gegen das Kartellverbot verstoßen hat, ist verpflichtet, den Geschädigten den entstandenen Schaden zu ersetzen. Die private Durchsetzung des Kartellrechts dient damit der Wiedergutmachung des durch ein Kartell verursachten individuellen Schadens.
Helfen kann dabei auch die Akteneinsicht in Bußgeldentscheidungen des Bundeskartellamtes.
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