Kartellamt untersagt RWE Net überhöhte Mess- und Verrechnungspreise bei Stromzählern
21.02.2003
In einem Musterverfahren hat das Bundeskartellamt laut Mitteilung von Kartellamtspräsident Ulf Böge in Bonn festgestellt, dass die von der Netzgesellschaft RWE Net AG, Dortmund, ihren Wettbewerbern im Rahmen der Belieferung von Haushalts- und Gewerbekunden in Rechnung gestellten Entgelte für Mess- und Verrechnungsleistungen in Höhe von 32,00 Euro pro Jahr (€/a) für Wechselstrom-Eintarifzähler, 36,00 €/a für Drehstrom-Eintarifzähler und 72,00 €/a für Zweitarifzähler missbräuchlich hoch sind. Ab sofort darf RWE Net von dritten Stromlieferanten wie z.B. der Beschwerdeführerin LichtBlick GmbH nicht mehr als 20,35 €/a für Wechselstrom-Eintarifzähler (Absenkung um 36,4 %), 22,90 €/a für Drehstrom-Eintarifzähler (- 36,4 %) und 37,41 €/a für Zweitarifzähler (- 48%) verlangen.
Die Verfügung betrifft die Märkte für netzbezogene Mess- und Verrechnungsleistungen (Anschaffung, Installation und Wartung der Zähler, kaufmännische Leistungen wie Ablesung des Zählers, Inkasso). Diese Märkte sind vom Markt für die bloße Nutzung der Stromnetze zu trennen. So könnten auch Dienstleistungsunternehmen, die nicht als Stromversorger tätig sind, diese Leistungen erbringen, wogegen sich die Stromversorgungsunternehmen allerdings wehren. Überhöhte Mess- und Verrechnungspreise behindern neue Anbieter in erheblichem Maße. Die an den Netzbetreiber abzuführenden, von den Wettbewerbern nicht beeinflussbaren Entgelte für Messung und Verrechnung sowie Netznutzung betragen im RWE Net-Gebiet über 75 % des Endkundenpreises. Davon entfällt mit bis zu 19 % ein gewichtiger Teil des Kostenblocks auf die Fixkosten für Messung und Verrechnung.
Die Mess- und Verrechnungspreise von RWE Net zählen im Vergleich zu den höchsten unter den großen deutschen Stromversorgern. Auf Basis des Vergleichsmarktkonzepts habe das Bundeskartellamt laut Böge festgestellt, dass das Vergleichsunternehmen die Mess- und Verrechnungsleistungen erheblich günstiger anbiete. Anders als im Bereich der Netzkosten können unterschiedliche Mess- und Verrechnungspreise nicht durch strukturelle Unterschiede des Versorgungsgebiets (Stadt, Land) gerechtfertigt werden.
Die von RWE vorgetragene Rechtfertigung, die hohen Preise deckten nicht einmal die (kalkulatorischen) Kosten, sei im Konzept des Vergleichsmarktes irrelevant, zumal es bei dem günstigeren Vergleichsunternehmen keine Anhaltspunkte für Verluste gäbe. Vielmehr bestünden erhebliche Zweifel, ob RWE Net die Kosten zwischen Netzbetrieb und Stromvertrieb ordnungsgemäß zuordnet. Das Unternehmen habe erhebliche Spielräume, da die Mess- und Verrechnungsleistungen zu über 50 % als Dienstleistung der Vertriebsgesellschaft RWE Plus für die Netzgesellschaft RWE Net erbracht werden. Auch sei fraglich, ob RWE die Rationalisierungsreserven, die sich aus der Fusion RWE/VEW und dem allgemeinen technischen und wirtschaftlichen Fortschritt ergeben, hinreichend an die Netznutzer in Form niedrigerer Preise weitergibt.
Kartellamtspräsident Ulf Böge sieht in den überhöhten Mess- und Verrechnungspreisen eine erhebliche Behinderung für Newcomer zur Belieferung von Haushalts- und Gewerbekunden mit Strom. Der Marktanteil der Wettbewerber im RWE Net-Gebiet liege auch fünf Jahre nach der Strommarktliberalisierung noch bei unter 5 %. "Mit dem Sofortvollzug der Missbrauchsverfügung wollen wir kurzfristig eine Verbesserung der Wettbewerbsbedingungen für Newcomer erreichen. Ohne den Sofortvollzug würde durch überhöhte Mess- und Verrechnungspreise der Wettbewerb insbesondere um Haushaltskunden, der durch über 10 Insolvenzen und über 20 Marktaustritte geschwächt ist, nachhaltig geschädigt. Markteintrittswillige Unternehmen würden vom Markteintritt abgeschreckt."
Hintergrund:
Gegenstand dieses Verfahrens sind diejenigen Preise, die RWE Net als Verteilnetzbetreiberin in Nordrhein-Westfalen sowie Teilen von Rheinland-Pfalz und Niedersachsen für netzbezogene Mess- und Verrechnungsleistungen von Haushalts- und Gewerbekundenlieferanten wie der Beigeladenen LichtBlick GmbH, Hamburg, fordert. Es richtet sich nicht gegen die von der Strompreisaufsicht des Landes Nordrhein-Westfalen im Rahmen der Allgemeinen Tarife genehmigten Verrechnungspreise der Vertriebsgesellschaft RWE Plus. Diese betreffen nicht nur netzbezogene Mess- und Verrechnungskosten, sondern die Kosten der gesamten Strombelieferung von der Strombeschaffung über die Netznutzung bis zum Stromvertrieb.