Bundeskartellamt untersagt Zusammenschlussvorhaben Liberty Media/KDG
26.02.2002
Das Bundeskartellamt hat das Vorhaben von Liberty Media untersagt, die Breitbandkabelnetze der Deutsche Telekom AG (KDG) zu erwerben. Der Zusammenschluss führt zur Verstärkung marktbeherrschender Stellungen auf dem Markt für die Belieferung von Endkunden mit Rundfunksignalen (Endkundenmarkt Kabelfernsehen), dem Markt für die Einspeisung von Signalen in Breitbandkabelnetze (Einspeisemarkt) und dem Markt für die Belieferung der Netzbetreiber der Netzebene 4 mit Signalen der Netzebene 3 (Signallieferungsmarkt).
Kartellamtspräsident Ulf Böge: "Der Zusammenschluss würde die Wettbewerbsstruktur auf den deutschen Kabelmärkten deutlich verschlechtern. Aufgrund der sich verstärkenden Marktstellung ohne gleichzeitige Verbesserung auf anderen Märkten stellt sich die Wettbewerbssituation mit dem Erwerb der Breitbandkabelnetze durch Liberty für die Verbraucher insgesamt schlechter dar, als wenn die Deutsche Telekom vorerst Eigentümer des Netzes bleibt. Deshalb war das Vorhaben zu untersagen."
Der Empfang von Fernsehsignalen auf terrestrischem Wege oder durch Satellit mit dem Empfang durch das Breitbandkabel ist aus Sicht des Verbrauchers nicht austauschbar und demnach unterschiedlichen Märkten zuzurechnen. Für viele Verbraucher gibt es von vorn herein keine Alternative zum Breitbandkabel, da rechtliche Vorgaben und tatsächliche Umstände dem Satellitenempfang entgegenstehen.
Beim Erwerb der Breitbandkabelnetze handelt sich nicht um einen – kartellrechtlich neutralen und damit unbedenklichen - Austausch des marktbeherrschenden Unternehmens Deutsche Telekom AG durch Liberty. Liberty ist sowohl Anbieter von Programminhalten als auch bereits heute über die von ihr beherrschten Kabelnetzbetreiber EWT/Primacom auf dem Endkundenmarkt für das Kabelfernsehen (Lieferungen von Fernsehsignalen an Haushalte) tätig. Liberty ist damit zumindest potentieller Wettbewerber der Deutschen Telekom. Das Geschäftskonzept von Liberty basiert darauf, weitestgehend Netzebene 4 – Betreiber zu erwerben oder mit ihnen auf exklusiver Basis zu kooperieren.
Die von Liberty geplante Verteilung von Decodern bzw. Set-Top-Boxen führt zu einer Bindung der Kunden an Liberty als dem Eigentümer und Betreiber der Geräte zur Entschlüsselung der Signale. Denn die Decoder verbleiben im Eigentum von Liberty und sind lediglich geeignet, Signale von Liberty zu entschlüsseln. Die Chancen für einen offenen, wettbewerblichen Kabelzugang werden dadurch von vorn herein verbaut.
Die marktbeherrschende Stellung von KDG auf dem Markt für die Einspeisung von Inhalten in das Kabelnetz wird durch die Kombination mit den Inhalteaktivitäten von Liberty verstärkt. Da Liberty rund 60% aller Breitbandkabelkunden in Deutschland versorgen würde, und das Netz zum Vertrieb eigener Inhalte nutzen wird, würde der Zusammenschluss auch insoweit zu einer Verstärkung der marktbeherrschenden Stellung führen.
Nach der sogenannten Abwägungsklausel ist ein Zusammenschluss trotz der erwarteten Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung freizugeben, wenn die beteiligten Unternehmen nachweisen, dass durch den Zusammenschluss auch Verbesserungen der Wettbewerbsbedingungen eintreten, welche die Nachteile der Markbeherrschung überwiegen (§ 36 Abs. 1, 2.Halbsatz GWB). Insoweit liegt es bei den Unternehmen, entsprechende Zusagen anzubieten. Es ist nicht Aufgabe des Amtes, Forderungen an die Unternehmen zu richten.
Auf dem Markt für breitbandigen Internetzugang kann es mit dem Ausbau des Netzes auf 510 MHZ zu einer Verbesserung der Wettbewerbsbedingungen kommen, da die Deutsche Telekom einem gewissen wettbewerblichen Druck ausgesetzt würde. Die Verbesserungen, die sich nach Auffassung von Liberty auf dem Markt für Sprachtelefonie ergeben sollen, sind nach Auffassung des Bundeskartellamtes nicht hinreichend nachgewiesen. Die Abwägungsklausel war demnach nicht anzuwenden, da eine überwiegende Wettbewerbsverbesserung nicht festzustellen war. Auf die Möglichkeit, weniger als sechs regionale Netzbetreiber und damit 60% des deutschen Kabelnetzes zu erwerben oder den Ausbau des Breitbandkabelnetzes für die Sprachtelefonie einem Dritten zu überlassen, ist Liberty nicht eingegangen.