Erzeuger stärken
LZ | Rheinland: Herr Mundt, das Kartellamt hat Anfang Oktober die Übernahme von Großhändler Lekkerland durch Rewe genehmigt. Die beiden Unternehmen sind bei der Belieferung von Tankstellen die mit Abstand stärksten Anbieter. Gibt es noch genug Wahlmöglichkeiten für kleine Händler?
A. Mundt: Wir haben die Übernahme von Lekkerland durch Rewe sehr genau unter die Lupe genommen. Betrachtet man einen Gesamtmarkt Lebensmittelgroßhandel haben Rewe und Lekkerland einen gemeinsamen Marktanteil von unter 10 %. Aber selbst bei dem Segment der Belieferung von Tankstellen haben unsere Ermittlungen gezeigt, dass trotz der starken Position der beiden Unternehmen, kleinen und mittleren Tankstellenbetreibern weiterhin hinreichende Ausweichmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Sie können sich zum Beispiel durch Spartenlieferanten oder auch von regionalen Lieferanten beliefern lassen. Anders als die großen Tankstellenbetreiber sind die kleinen Händler nicht auf ein bundesweites Logistiknetz angewiesen, wie es Rewe und Lekkerland anbieten. Zudem sind Marktzutritte möglich – das haben in der jüngeren Vergangenheit Edeka und Rewe selbst gezeigt. Und auf der Beschaffungsseite, also im Verhältnis zu den Herstellern und Lieferanten, gab es keine durchgreifenden wettbewerblichen Bedenken. Der Zuwachs für Rewe durch Lekkerland liegt hier bei unter 0,5 % Marktanteil.
LZ | Rheinland: Im Jahr 2016 hat Edeka gegen das Veto des Bundeskartellamtes die Übernahme von mehr als 300 400 Märkten der Supermarktkette Kaiser’s Tengelmann per Ministererlaubnis durchgesetzt. Reicht das bestehende Kartellrecht Ihrer Auffassung nach aus, um eine zu starke Konzentration des Lebensmitteleinzelhandels zu verhindern?
A. Mundt: Ich bin der Meinung, dass es ausreicht, und das sieht man auch an unserer Praxis. An der Ministererlaubnis bei Kaiser’s Tengelmann durch Edeka können Sie das nicht festmachen. Wir haben in Deutschland eine klare Trennung zwischen wettbewerblicher Fusionskontrolle und der Möglichkeit einer Ministererlaubnis aus Gemeinwohlgründen. Den Zusammenschluss haben wir ja mit guten Gründen aus wettbewerblichen Gründen untersagt. Da wurde, wenn Sie so wollen, in einem Einzelfall der Wettbewerb anderen wirtschaftspolitischen Zielen – hier dem Erhalt von Arbeitsplätzen – geopfert. Das ändert aber nichts daran, dass unsere Instrumente funktionieren und auch ausreichen. Gerade weil es im Lebensmitteleinzelhandel eine starke Konzentration gibt, legen wir in der Fusionskontrolle einen strengen Prüfmaßstab an. Dafür haben wir passende Ermittlungsbefugnisse und die notwendige Expertise aus unserer Praxis im kartellrechtlichen Wettbewerbsschutz. Ein weiteres wichtiges Instrument ist die Missbrauchsaufsicht, die wir ja in diesem Bereich auch bereits erfolgreich, beispielsweise gegenüber Edeka durchgesetzt haben.
LZ | Rheinland: Ist die Macht des Handels durch die wenigen starken Player zu groß und bedenklich? Was bedeutet es für den Bauern als Erzeuger und ihre Verhandlungsposition mit dem LEH? Als Beispiel: Uns berichtete ein Bauer, dass in diesem Jahr Importkirschen gegenüber seiner Ware bevorzugt wurden wegen eines Preisunterschieds von 30 Cent.
A. Mundt: Der europäische Gesetzgeber hat in den vergangenen Jahren eine Reihe von Maßnahmen verabschiedet, um die Position der Erzeuger zu stärken. Mit der gemeinsamen Marktordnung wurden die Möglichkeiten, sich in Erzeugerorganisationen zusammenzuschließen, deutlich erweitert. Mit der UTP-Richtlinie wurden zahlreiche Praktiken des Handels aufgegriffen. Andererseits sind gewisse Ungleichgewichte zwischen Geschäftspartnern und harte Verhandlungen natürlich auch nicht verboten. Die kartellrechtliche Grenze aber ganz klar ist der sogenannte Missbrauch von Marktmacht. In einem Verfahren gegen Edeka haben wir nachträgliche Forderungen des Handelskonzerns nach sogenannten Hochzeitsrabatten untersagt, weil diesen Forderungen keine wirtschaftliche Gegenleistung gegenüberstand. Der Bundesgerichtshof hat unsere Entscheidung bestätigt. Das war ein wichtiges Signal für den Lebensmitteleinzelhandel. Die Unternehmen wissen: Wenn der Bogen überspannt ist, kommt das Bundeskartellamt.
LZ | Rheinland: Hat der Verbraucher tatsächlich noch eine Macht durch seinen Einkauf oder muss er kaufen, was angeboten wird, da nicht mehr alles angeboten wird? Beispiel ägyptische Kartoffeln statt deutsche.
A. Mundt: Ich habe nicht den Eindruck, dass die Angebotsvielfalt im LEH abnimmt. In den letzten Jahren werden zum Beispiel nachhaltige und regionale oder auch vegetarische Produkte stark nachgefragt und selbst die Discounter bieten sehr viele Bio-Produkte an, weil sie auf die veränderte Nachfrage reagieren müssen. Entscheidend ist, dass die Verbraucher gut informierte Entscheidungen treffen können und ihren Einkauf entsprechend danach ausrichten. Das führt dann auch zu einer Stärkung des Wettbewerbs.
LZ | Rheinland: Der Berufsstand fordert immer wieder, keinen Verkauf unter Einstandspreis. Bei den Lockangeboten bekommt man aber einen anderen Eindruck. Ist dies alles rechtens und wie können Bauern sich gegen die Billig-Preise wehren?
A. Mundt: Kartellrechtlich sind die günstigen Preise in den meisten Fällen nicht zu beanstanden. Das Gesetz sieht zum Beispiel vor, dass Unter-Einstandspreise gerechtfertigt sein können, etwa wenn Lebensmitteln der Verderb droht. Wir haben dennoch bereits in der Vergangenheit Verfahren geführt und behalten die Märkte genau im Blick.
LZ | Rheinland: In diesem Jahr hat die EU eine Richtlinie über unfaire Handelspraktiken beschlossen. Was bedeutet das für das Kartellamt? Welche neuen Aufgaben leiten Sie daraus zum Schutz kleinerer Erzeuger ab?
A. Mundt: Die UTP Richtlinie betrifft unfaire Handelspraktiken in der Lebensmittellieferkette von größeren gegenüber kleineren Unternehmen. Dabei wurden bestimmte Klauseln definiert, die künftig verboten sind. Die Richtlinie muss bis Juli 2020 in nationales Recht umgesetzt werden. Es ist bislang nicht abschließend geregelt, wem die Kompetenz zur Durchsetzung der neuen Regeln übertragen wird. Wir meinen, dass sich das Bundeskartellamt aufgrund der Nähe der neuen Vorschriften zu unserer bisherigen Praxis anbietet.
Das Interview führte Andrea Hornfischer.
Quelle: LZ Rheinland, Ausgabe 50/2019, Fragen & Meinungen, Seite 22-23