Diskussion über Fusionskontrolle im digitalen Zeitalter - Tagung des Arbeitskreises Kartellrecht

30.09.2022

Am 29. September 2022 fand die Tagung des Arbeitskreises Kartellrecht statt. Auf Einladung des Bundeskartellamtes beteiligten sich über 90 Wettbewerbsexpertinnen und -experten an der Diskussion und dem Gedankenaustausch zum Thema „Fusionskontrolle im digitalen Zeitalter – Herausforderungen und Entwicklungsperspektiven“.

Der Arbeitskreis setzt sich zusammen aus zahlreichen Professorinnen und Professoren rechts- und wirtschaftswissenschaftlicher Fakultäten, hochrangigen Vertreterinnen und Vertretern nationaler und europäischer Wettbewerbsbehörden und Ministerien sowie Richterinnen und Richtern der Kartellsenate beim Oberlandesgericht Düsseldorf und beim Bundesgerichtshof. Seit über 50 Jahren finden in diesem Rahmen jährliche Konferenzen zu grundsätzlichen wettbewerbspolitischen Themen statt.

Geleitet wurde die Tagung von Prof. Dr. Konrad Ost, Vizepräsident des Bundeskartellamtes.

Prof. Dr. Ost: „Die Fusionskontrolle ist das einzige Instrument, das uns zur Verfügung steht, um wettbewerbsschädliche Machtkonzentration präventiv zu verhindern. Gerade in der Internetwirtschaft steht viel auf dem Spiel. Sie ist geprägt von wenigen großen Akteuren und hoher Konzentration. Einzelne Unternehmen haben starke marktübergreifende Machtpositionen, die durch Übernahmen weiter ausgebaut werden können. Allerdings bekommen wir manche problematische Fusion mit dem geltenden Regelwerk nicht zu fassen oder eine Untersagung ist aufgrund hoher rechtlicher Hürden schlichtweg nicht möglich. Daher stand das Thema im Fokus des diesjährigen Arbeitskreises Kartellrecht.“

Der Arbeitskreis Kartellrecht hat vor allem zwei Problemfelder einer effektiven Fusionskontrolle im Zusammenhang mit Übernahmen durch große Digitalkonzerne diskutiert:

- Ein in Literatur und Praxis diskutiertes Thema sind sog. killer acquisitions. Darunter wird die Strategie verstanden, dass große Unternehmen kleinere (potentielle) Wettbewerber aufkaufen, um deren Innovationsaktivitäten einzustellen oder bereits bestehende Produkte vom Markt zu nehmen. Es wird befürchtet, dass derartige Vorhaben bislang nur unzureichend von der Fusionskontrolle unterbunden werden können.

- Eine weitere Befürchtung besteht darin, dass große Digitalkonzerne durch Fusionen das von ihnen jeweils betriebene Ökosystem aus verschiedenen miteinander verbundenen Produkten erweitern bzw. verstärken und dadurch ihre Machtstellung absichern oder ausbauen könnten.

Prof. Dr. Ost: „Der Arbeitskreis Kartellrecht hat sich auch mit möglichen Lösungsansätzen für die aktuellen Probleme der Fusionskontrolle im digitalen Zeitalter befasst. Die Einführung strengerer fusionskontrollrechtlicher Regeln für Unternehmen mit überragender marktübergreifender Bedeutung könnte ein zielführender Ansatz sein. Dies wurde jüngst auch vom Deutschen Juristentag gefordert. Eine verschärfte Fusionskontrolle wäre eine naheliegende Ergänzung der Anfang 2021 erweiterten Missbrauchsaufsicht (§ 19a GWB) im Digitalbereich.“

Eröffnet wurde die Veranstaltung durch eine Podiumsdiskussion. In diesem Rahmen erläuterte Prof. Dr. Tomaso Duso (TU Berlin; Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung; Monopolkommission) die Herausforderungen, die sich aus den Charakteristika der Digitalwirtschaft für die Fusionskontrolle ergeben. Prof. Dr. Justus Haucap (HHU Düsseldorf) beleuchtete mögliche negative und positive Auswirkungen von Zusammenschlüssen im Digitalbereich auf Innovationen. Prof.‘in Dr. Viktoria Robertson (WU Wien, Uni Graz) erörterte u.a. Vorschläge zur Anpassung bzw. Weiterentwicklung des Rechtsrahmens. Julia Brockhoff (Europäische Kommission, Generaldirektion Wettbewerb) und Sandro Gleave (Bundeskartellamt) berichteten über praktische Erfahrungen bei der Prüfung von Fusionsvorhaben im Bereich der Digitalwirtschaft.

Im Anschluss an die Podiumsdiskussion referierte Dr. Thorsten Käseberg (Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz) zur wettbewerbspolitischen Agenda des Ministeriums in der laufenden Legislaturperiode. Dabei gab er u.a. einen Ausblick auf die elfte Novellierung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen.

Das Arbeitspapier zu der Tagung sowie einzelne Vorträge der Teilnehmer (sobald verfügbar) können auf der Internetseite des Bundeskartellamtes abgerufen werden.

English Version:

  • Merger control in the digital age – Meeting of the Working Group on Competition Law