Bundeskartellamt leitet Missbrauchsverfahren gegen rund 35 Unternehmen wegen überhöhter Gaspreise ein
05.03.2008
Das Bundeskartellamt hat auf Basis des neuen § 29 GWB Missbrauchsverfahren gegen rund 35 Gasversorger wegen des Verdachts missbräuchlich überhöhter Gaspreise für Haushalts- und Gewerbekunden eingeleitet. Eine vorangegangene bundesweite Untersuchung der Gaspreise aller in diesem Geschäftsfeld etablierten Gasversorger hat gezeigt, dass teilweise erhebliche Abweichungen von 25% bis 45% und mehr zwischen den Unternehmen bestehen. Betroffen sind Unternehmen aus allen Regionen Deutschlands, städtische und ländliche Versorger, eigenständige Stadtwerke und Versorger, die Beteiligungsunternehmen der vier großen Verbundunternehmen sind.
Für Kartellamtspräsident Heitzer lässt das Untersuchungsergebnis nur einen Schluss zu, nämlich dass die Wettbewerbsintensität im Bereich der Belieferung von Haushalts- und Gewerbekunden mit Gas immer noch erschreckend gering ist: „Nach derzeitigen Erkenntnissen erheben eine Reihe von Unternehmen Gaspreise in einer Höhe, die sie bei funktionierendem Wettbewerb nicht fordern könnten. Selbst dort, wo die Netzentgelte niedrig sind, wird dieser Kostenvorteil oftmals nicht an die Kunden weitergegeben, sondern offensichtlich durch eine Erhöhung auf einer anderen Ebene der Wertschöpfungskette wieder kompensiert. Die Welle von Gaspreiserhöhungen werden wir auf ihre Missbräuchlichkeit hin überprüfen."
Das Bundeskartellamt hat bei dem Vergleich derjenigen Gaspreise, die die Endverbraucher zahlen, die genehmigten Netzentgelte sowie die Steuern und Konzessionsabgaben abgezogen. Dies eröffnet eine wesentlich präzisere Beurteilungsgrundlage und wird voraussichtlich kaum Raum für die betroffenen Unternehmen lassen, sich durch Besonderheiten in ihrem Liefergebiet zu rechtfertigen. Steuern und Abgaben machen durchschnittlich einen Anteil von 29 % an dem Bruttopreis aus, die von den Regulierungsbehörden geprüften und genehmigten Netzentgelte 16 %. Die vom Bundeskartellamt untersuchten Preisbestandteile machen daher gut 55 % des Brutto-Gaspreises aus, den der Bürger auf seiner Rechnung sieht und die auf den bekannten Internetportalen verglichen werden.
Von den Verfahren konkret betroffen ist der Markt für die Belieferung von Standardlastprofilkunden, d. h. nicht leistungsgemessenen Haushalts- und Gewerbekunden, mit Erdgas. Der Erdgasabsatz in Deutschland an Haushalt und Gewerbe betrug im Jahr 2006 ca. 480 Mrd. kWh; die Gasversorger erzielten mit der Belieferung von Haushalts- und Gewerbekunden einen Umsatz in Höhe 17,28 Mrd. €. Die Missbrauchsverfahren gegen die betroffenen Unternehmen betreffen mit ca. 4 Mio. Kunden und einem Absatzvolumen von geschätzt ca. 100 Mrd. kWh knapp 20% des Marktes.
Von den ca. 770 Gasversorgungsunternehmen in Deutschland fallen nur knapp 30 Unter-nehmen mit bundeslandübergreifender Grundversorgung originär in die Zuständigkeit des Bundeskartellamtes, die übrigen in die Zuständigkeit der jeweiligen Landeskartellbehörde. Einige Landeskartellbehörden haben bereits Verfahren eingeleitet. Zudem haben viele Landeskartellbehörden, auf Antrag des Bundeskartellamtes einige Gasversorger mit hohen Gaspreisen aus ihrem Zuständigkeitsbereich an das Bundeskartellamt abgegeben bzw. beabsichtigen, dies zu tun. Weitere Verfahren werden daher möglicherweise folgen.