Bundeskartellamt beabsichtigt Untersagung der Übernahme von ish, KBW und iesy durch KDG
24.08.2004
Nach bisheriger Einschätzung des Bundeskartellamtes führt das Vorhaben der Kabelnetzgesellschaft Kabel Deutschland GmbH (KDG), Unterföhring, die drei regionalen Kabelnetzgesellschaften Kabelnetz NRW HoldCo GmbH (ish), Köln, Kabel BW Holdings GmbH (KBW), Heidelberg, und iesy Repository GmbH (iesy), Frankfurt, zu übernehmen, zur Verstärkung der marktbeherrschenden Stellung von KDG. Betroffen ist insbesondere der Markt für die Einspeisung von Fernsehprogrammen einschließlich der technischen Dienstleistungen für Free-TV und Pay-TV. Das Bundeskartellamt hat das Vorhaben daher am 23. August 2004 abgemahnt. Die am Verfahren beteiligten Unternehmen können bis zum 8. September 2004 zu der Abmahnung Stellung nehmen. Nach Auswertung der Stellungnahmen wird das Bundeskartellamt bis zum 7. Oktober 2004 in allen drei Fällen die endgültige Entscheidung treffen.
KDG betreibt das ehemalige Breitbandkabelnetz der Deutschen Telekom in den sechs Regionen Hamburg / Schleswig-Holstein / Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen / Bremen, Berlin / Brandenburg, Sachsen / Sachsen-Anhalt / Thüringen, Rheinland-Pfalz / Saarland und Bayern. In diesen Regionen bietet KDG die analoge und digitale Übertragung von Rundfunksignalen und damit in Verbindung stehende Dienstleistungen an. Rund 10 Mio. Haushalte werden auf der sogenannten Netzebene 3 von KDG mit TV-Signalen versorgt. Die Breitbandkabelnetze in den übrigen Regionen Deutschlands werden von den drei anderen Kabelgesellschaften betrieben: ish versorgt ca. 4 Mio. Haushalte in NRW, KBW ca. 2 Mio. Haushalte in Baden-Württemberg und iesy ca. 1 Mio. Haushalte in Hessen.
KDG verfügt mit ihrem Breitbandkabelnetz gegenüber den Anbietern von TV-Programmen schon heute über eine marktbeherrschende Stellung. Das Bundeskartellamt geht nach umfangreichen Ermittlungen davon aus, dass die verschiedenen Übertragungswege für TV-Signale – Kabel, Satellit, Terrestrik bzw. DVB-T – aus Sicht der Programmveranstalter nicht gegeneinander austauschbar, sondern komplementär sind. Die Anbieter von TV-Programmen sind sowohl im Free-TV als auch im Pay-TV darauf angewiesen, für ihre Inhalte eine möglichst hohe Reichweite zu erzielen. Da heute rund 56 % der Haushalte Kabelkunden sind, können die Programmveranstalter insofern auf eine Einspeisung in diesen Übertragungsweg nicht verzichten. Der Wechsel eines Haushalts zu einem anderen Übertragungsweg ist – soweit er gewollt ist – teilweise aus faktischen oder rechtlichen Gründen nicht möglich, zumindest aber mit erheblicher zeitlicher Verzögerung verbunden.
KDG betreibt zudem eine eigene sogenannte digitale Plattform für die Ver- und Entschlüsselung von digitalen TV-Programmen. Bestandteile dieser digitalen Plattform sind ein Verschlüsselungssystem, eine Set-Top-Box (Decoder) zur Entschlüsselung der Programme sowie eine „SmartCard“ zur Freischaltung der Set-Top-Box. Die Set-Top-Box unterliegt weitreichenden KDG-Vorgaben hinsichtlich des verwendeten Verschlüsselungssystems, weiterer Software und anderer Eigenschaften. Während derzeit nur Pay-TV-Programme verschlüsselt werden, beabsichtigt KDG nach eigener Aussage zukünftig auch bei Free-TV-Programmen eine Grundverschlüsselung. Wenn der Empfang von Free-TV nur noch über die von KDG zertifizierten „Boxen“ möglich ist, wäre der Endkunde gezwungen, in jedem Fall eine solche Box zu erwerben. KDG betreibt darüber hinaus ein eigenes Pay-TV-Bouquet, über das entgeltpflichtige Inhalte an Endkunden vermarktet werden. Die Kontrolle über die Set-Top-Boxen kann von der KDG zugunsten des eigenen Pay-TV-Bouquets eingesetzt werden. Zudem könnte mit dieser Strategie der Markt für andere Pay-TV-Anbieter abgeschottet werden.
Kartellamtspräsident Böge: „Der weitgehend unkontrollierte Verhaltensspielraum, über den KDG als Eigentümerin der Kabelnetze in sechs Regionen bereits verfügt, würde durch die beabsichtigte Fusion mit den drei anderen Kabelnetzgesellschaften weiter verstärkt. Dies resultiert zum einen aus der Ausdehnung der Reichweite des KDG-Netzes, wodurch KDG ihren bestehenden Verhaltensspielraum auf das gesamte Bundesgebiet erweitern würde. Daneben könnte KDG ihre aktuelle Kontrollmöglichkeit über die digitale Plattform auf die übrigen Regionen, die eine digitale Plattform entweder gar nicht oder nur eingeschränkt betreiben, übertragen. Schließlich würde durch die Zusammenschlüsse der potenzielle Wettbewerb seitens der regionalen Kabelnetzgesellschaften – der angesichts der Monopolstellung von KDG als besonders schützenswert anzusehen ist – massiv beschränkt. Potenzieller Wettbewerb ergibt sich derzeit vor allem aus der möglichen Durchleitung durch das Kabelnetz der KDG aber auch aus dem möglichen Aufbau paralleler Kabelinseln oder sogenannter Kabelkopfstationen.“
Böge weiter: „Das Bundeskartellamt geht nach derzeitigem Kenntnisstand nicht davon aus, dass die Zusammenschlüsse zur einer Verbesserung der Wettbewerbsbedingungen auf anderen Märkten führen (Abwägungsklausel).“ Ein wirksamer Wettbewerb im Pay-TV-Markt könne im Wege der Einspeisung auch ohne den Erwerb von Kabelnetzen erreicht werden. Bezüglich des Marktes für breitbandigen Internetzugang hätten die Ermittlungen gezeigt, dass die kleineren Regionalgesellschaften sowohl hinsichtlich des Netzausbaus als auch hinsichtlich der Anzahl der Internetkunden dem großen Netzbetreiber KDG weit voraus sind und grundsätzlich weitere Ausbaupläne für Internet- und Telefonie-Angebote verfolgen. Entsprechende Ansätze seien bei KDG nur sehr punktuell vorhanden. Laut Böge widerlegt dies den verbreiteten Irrglauben, dass nur ein nationales Netz Fortschritte in der medialen Nutzung bringt: „Der technische Fortschritt wird durch den Wettbewerb verschiedener Geschäftsmodelle mehrerer Kabelnetzbetreiber vorangetrieben, von einem Monopol aber eher gebremst. Es ist jedenfalls nicht erkennbar, dass – wie KDG vorträgt - der Ausbau des eigenen Internet-Geschäfts nur bei Übernahme der drei Kabelgesellschaften möglich sein soll.“