Jahresrückblick 2004 / Ausblick 2005 Wichtige Entwicklungen für den Schutz des Wettbewerbs

21.12.2004

Kartellamtspräsident Ulf Böge: „Das Bundeskartellamt blickt auf ein ereignisreiches Jahr 2004 zurück. Zu den wichtigsten Entscheidungen des Amtes in diesem Jahr gehören zweifellos die Verhinderung marktbeherrschender Stellungen im deutschen Breitband­kabelmarkt und im Berliner Zeitungsmarkt (einschließlich der Bestätigung durch das OLG) sowie das Aufbrechen der kartellartigen Gesellschafterstruktur des Dualen Systems. Weitere Tätigkeitsschwerpunkte waren der Energiebereich, die Begleitung der 7. GWB-Novelle und die Intensivierung der weltweiten Kooperation der Kartellbehörden. Aber auch die zahlreichen anderen, in der Öffentlichkeit weniger beachteten Entscheidungen und Weichenstellungen durch das Bundeskartellamt haben in diesem Jahr zum Vorteil der Verbraucher erneut zur effektiven Durchsetzung des Wettbewerbsprinzips in Deutschland beigetragen.“

 

Im Rahmen der Verfolgung von Kartellabsprachen hat das Bundeskartellamt im ablaufenden Jahr elf nationale Durchsuchungen bei insgesamt 154 Unternehmen und Privatwohnungen durchgeführt. Zu den betroffenen Branchen zählten u.a. die Bau­wirtschaft und die Papierindustrie. Aufgrund von Informationen aus dem Kartellverfahren vom Vorjahr gegen Unternehmen der Zementindustrie hat das Amt darüber hinaus gegen rund 70 Hersteller von Transportbeton Bußgeldverfahren eingeleitet. Die im Mai 2004 wegen Preisabsprachen im Papiergroßhandel verhängten Bußgelder in Höhe von 57,6 Mio. Euro sind überwiegend noch nicht rechtskräftig geworden. Das Kartell­verfahren wegen vermuteter Absprachen bei Industrieversicherungen wurde im Mai auf weitere Unternehmen ausgedehnt. Die Auswertungen dürften im nächsten Jahr abgeschlossen werden.

 

Die Zahl der beim Bundeskartellamt in 2004 angemeldeten Fusionen liegt mit gut 1300 Fällen etwa auf dem Niveau des Vorjahres. Mit insgesamt elf Fusionsvorhaben hat das Bundeskartellamt in diesem Jahr mehr Zusammenschlüsse als in den Vorjahren untersagt (2003 = 2, 2002 = 5, 2001 = 2). In zahlreichen anderen Fällen haben die Unternehmen ihr Fusionsvorhaben im Vorfeld aufgegeben oder modifiziert, um eine Untersagung durch das Bundeskartellamt zu verhindern.

 

Überprüfungen wegen missbräuchlicher Verhaltensweisen marktbeherrschender Unter­nehmen betrafen 2004 u.a. die Deutsche Post AG, die Deutsche Lufthansa AG und Energieversorgungsunternehmen. So sieht das Bundeskartellamt in langfristigen Gasbezugsverträgen, die zu 80 % und mehr den Bedarf eines Verteilerunternehmens abdecken, einen Marktverschließungseffekt und damit eine unzulässige Wettbewerbsbeschränkung. Das Amt wird die in diesem Zusammenhang gegen 16 Gasversorgungsunternehmen, darunter E.ON Ruhrgas, RWE, Wingas und VNG, eingeleiteten Verfahren im kommenden Jahr abschließen. Darüber hinaus hat das Amt aktuell am 17. Dezember 2004 gegen fünf Unternehmen der Gaswirtschaft förmliche Untersagungsverfahren wegen des Verdachts missbräuchlich überhöhter Gaspreise eingeleitet. Die betroffenen Unternehmen zählen im Vergleich zu den teuersten Gasversorgern im Zuständigkeitsbereich des Bundeskartellamtes. Das Bundeskartellamt wird in den Verfahren prüfen, ob diese Unternehmen, die binnen sechs Monaten zum Teil Erhöhungen von bis zu 0,6 ct/kWh brutto bzw. 14 % angekündigt und teilweise schon realisiert haben, lediglich erhöhte Bezugskosten weitergegeben, in der Vergangenheit auch Rückgänge der Bezugskosten berücksichtigt und ob sie Doppeleffekte der Energiesteuer bei ihren Kunden ausgeglichen haben. Vier andere Gasversorger haben teilweise bereits im informellen Vorverfahren angekündigt, beabsichtigte Preiserhöhungen zu reduzieren (um bis zu zwei Drittel) bzw. in der laufenden Heizperiode keine weiteren Erhöhungen durchzuführen und Rückerstattungen an die Gaskunden vorzunehmen, wenn sich im Herbst 2005 herausstellt, dass die Erlöse aus den Preiserhöhungen über den tatsächlichen Gasbezugskostensteigerungen gelegen haben. Aus diesem Grund und weil die betreffenden Gasversorger im Vergleich nicht zu den teuersten Anbietern gehören, hat das Bundeskartellamt in diesen Fällen davon abgesehen, förmliche Verfahren einzuleiten.

 

Ein weiteres wichtiges Aufgabenfeld des Bundeskartellamtes ist die ordnungsgemäße Einhaltung der Vergaberegeln bei öffentlichen Aufträgen des Bundes. Bei den Vergabekammern des Amtes sind im laufenden Jahr mehr als 220 Vergabeverfahren beantragt worden. In 19 Fällen gab das Amt den Beschwerdeführern Recht.

 

Zum 1. Mai dieses Jahres ist die neue europäische Kartellrechtsverordnung (VO 1/2003) in Kraft getreten. Seitdem gilt für die Frage, ob Kooperationen von Unternehmen mit grenzüberschreitender Bedeutung vom Kartellverbot freigestellt sind, die sog. Legalausnahme. Danach müssen die Unternehmen die Freistellungsfähigkeit ihrer Vereinbarung selbst einschätzen, da das Anmelde- und Genehmigungssystem weggefallen ist. Mit der VO 1/2003 ist zugleich ein Netzwerk der Wettbewerbsbehörden in der EU etabliert worden. Böge: „Mit dem europäischen Netzwerk der Wettbewerbs­behörden (ECN) beginnt in der Bekämpfung von grenzüberschreitenden Wettbewerbs­beschränkungen eine neue Zeitrechnung“. So habe sich das gemeinsame Intranet der Kartellbehörden, in das bereits knapp 300 Fälle eingestellt wurden, sowie die Möglichkeit zum Informationsaustausch und zur gegenseitigen Unterstützung bei Ermittlungshandlungen in der Praxis bereits als sehr erfolgreich erwiesen.

 

Böge weiter: „Die Phase der Zurückhaltung im Geschäft mit Fusionen und Beteiligungen (Mergers and Aquisitions) scheint die Talsohle durchschritten zu haben. International sind erste Klimmzüge zu neuen Mega-Fusionen zu beobachten. Der deutsche Markt wird davon nicht unberührt bleiben“. Das Amt sei aber gut gerüstet, um unerwünschte Marktmacht zu stoppen. Böge zählt dazu das gut funktionierende Instrument der Fusionskontrolle, hält aber darüber hinaus die multilaterale Zusammenarbeit der Wettbewerbsbehörden weltweit für unerlässlich. Das Bundeskartellamt habe hier in den letzten fünf Jahren einen seiner Aufgabenschwerpunkte gesehen. Mit der diesjährigen Übernahme des Vorsitzes im International Competition Network (ICN), in dem die Wettbewerbsbehörden von 76 Ländern der Welt vertreten seien, könne das Amt seine Erfahrungen im Wettbe­werbsbereich verstärkt einbringen. Vom 6. – 8. Juni 2005 werde das Bundeskartellamt den vierten Weltkongress des International Competition Network in Bonn ausrichten.

 

Böge abschließend: „Die weltweite Anerkennung, die die deutsche Wettbewerbsordnung genießt – und das ist ein nicht zu unterschätzender Standortvorteil für deutsche Unternehmen -, werden wir nur erhalten können, wenn wir das Wettbewerbsprinzip im eigenen Lande hochhalten. Die Rolle des Bundeskartellamtes ist hierbei die des Wächters und Mahners zugleich. Das Bundeskartellamt wird deshalb die Vorschriften des Kartellgesetzes weiterhin ohne Abstriche durchsetzen. Es wird seine Sachkenntnis aber auch bei der Umsetzung der europäischen Richtlinien und den Novellierungen des GWB sowie des Energiewirtschaftsgesetzes einbringen.“

 

English version

  • Review of 2004 / Prospects for 2005 Important developments in the protection of competition