Bundeskartellamt untersagt Landkreis Aufruf zum Boykott und verbotene Druckausübung (Papier-Entsorgung)

11.05.2004

Das Bundeskartellamt hat dem Landkreis Neu-Ulm untersagt, den lokalen Papier-Entsorger zum Boykott von Der Grüne Punkt – Duales System Deutschland AG (DSD), Köln, aufzurufen sowie auf DSD Druck mit dem Ziel auszuüben, DSD zu einem gegen das Kartellverbot verstoßenden Verhalten zu veranlassen. Der Landkreis Neu-Ulm hatte sowohl den lokalen Entsorger als auch DSD aufgefordert, keine individuellen Lei­stungsvereinbarungen zur Entsorgung von Abfällen aus Papier, Pappe und Kartonagen (PPK) zu treffen. Die sofortige Vollziehbarkeit der Entscheidung (im Internet abrufbar unter www.bundeskartellamt.de wurde angeordnet.

Hintergrund der Untersagung ist eine seit längerem andauernde Diskussion mit den kommunalen Spitzenverbänden über eine kartellrechtskonforme Erfassung der sogenannten PPK-Abfälle. Dabei geht es um die Frage, wie einerseits dem Interesse aller Beteiligten - den Kommunen als öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern, den dualen Systemen nach § 6 Abs. 3 der Verpackungsverordnung (VerpackV), den vor Ort tätigen Entsorgern und auch den Bürgern - an einem einheitlichen PPK-Erfassungssystem Rechnung getragen werden kann und andererseits der Nachfragewettbewerb zwischen den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern und DSD sowie den auf den Markt hinzutretenden weiteren dualen Systemen (z. B. Landbell AG, ISD Interseroh GmbH) aufrecht erhalten werden kann.

Die kommunalen Entsorgungsträger sind zur Entsorgung der ihnen in ihrem Gebiet aus privaten Haushalten überlassenen PPK-Abfälle zuständig. Soweit es sich hierbei jedoch um gebrauchte Verkaufsverpackungen handelt, unterliegen diese der Produkt­verantwortung. Hersteller und Vertreiber dieser Verkaufsverpackungen beteiligen sich

in den meisten Fällen zur Erfüllung ihrer verpackungsrechtlichen Pflichten an sog. dualen Systemen, die ein flächendeckendes System zur haushaltsnahen Erfassung solcher Verpackungen betreiben. Diese beauftragen dann ihrerseits Entsorgungsunternehmen mit der Sammlung und Verwertung der Verkaufsverpackungen.

Eine Vielzahl kommunaler Entsorgungsträger lehnt unmittelbare vertragliche Vereinba­rungen zwischen dualen Systemen und dem jeweiligen Entsorger über die Sammlung und Verwertung gebrauchter PPK-Verkaufsverpackungen ab. Sie vertreten die Position, dass duale Systeme entweder auf freiwilliger Basis die von ihnen getroffene Vereinba­rung mit dem vor Ort tätigen Entsorger gegen sich gelten lassen oder dass sie verwal­tungsrechtlich (§ 6 Abs. 3 S. 8 VerpackV) zur Mitbenutzung und zur anteiligen Kosten­übernahme der PPK-Sammelsysteme verpflichtet sind.

Eine kosteneffiziente und preisgünstige Entsorgung zugunsten der Verbraucher setzt nach Auffassung des Bundeskartellamtes jedoch voraus, dass jedes duale System, das die Entsorgungsleistung des lokal tätigen Entsorgers mitnutzen will, in Höhe seines mengenmäßigen Anteils individuelle Entsorgungspreise aushandelt. Nur so wird der Nachfragewettbewerb erhalten und können die dualen Systeme ihrer Verpflichtung aus der Verpackungsverordnung nachkommen, ihre Leistungen im Wettbewerb nachzufragen. Die Möglichkeit, Entsorgungsleistungen günstig einzukaufen hat insbesondere auch für die neu hinzutretenden Anbieter erhebliche Bedeutung. Die Auffassung der
öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger führt demgegenüber zu einer mit § 1 GWB nicht vereinbaren Bündelung der Nachfrage nach PPK-Entsorgungsleistungen. Sie
widerspricht zudem der ausdrücklichen Zielsetzung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes, keine Rekommunalisierung der gesamten Papier-Fraktion zuzulassen.

Vor diesem Hintergrund ist die Untersagungsentscheidung des Bundeskartellamtes gegen den Landkreis Neu-Ulm von grundsätzlicher Bedeutung.

English version

  • Bundeskartellamt prohibits administrative district from calling for boycott and exerting illegal pressure (paper disposal)