Bundeskartellamt mahnt Tagesspiegel/Berliner Zeitung ab
22.11.2002
Nach bisheriger Einschätzung des Bundeskartellamtes führt der Erwerb der Kontrolle über den Berliner Verlag KG, Berlin, (u.a. Berliner Zeitung, Berliner Kurier, Stadtillustrierte Tip) durch die Holtzbrinck KG, Stuttgart, (u.a. Tagesspiegel, Stadtillustrierte Zitty) zur Entstehung einer marktbeherrschenden Stellung von Holtzbrinck auf dem Lesermarkt für regionale Abonnement-Tageszeitungen in Berlin und dem dortigen Lesermarkt für Stadtillustrierte.
Kartellamtspräsident Ulf Böge: "Die Abmahnung ist noch keine endgültige Entscheidung. Sie ist die Mitteilung an die Unternehmen, dass das Vorhaben in dieser Form nach der vorläufigen Beurteilung nach dem Kartellgesetz nicht genehmigungsfähig ist."
Holtzbrinck wäre nach einem Zusammenschluss mit großem Abstand Marktführer auf dem Berliner Lesermarkt für regionale Abo-Tageszeitungen. Das Unternehmen würde mit über 60% einen Marktanteil erlangen, der nahezu doppelt so hoch wie der des nachfolgenden Wettbewerbers Axel-Springer-Verlag liegt.
Diesen Vorsprung könnte Holtzbrinck durch Strategiemaßnahmen wie der Zeitungsgestaltung im Ost- bzw. Westteil von Berlin oder durch Anzeigenpreisstrategien absichern oder sogar weiter ausbauen.
Dies bedeutet, dass Holtzbrinck mit zwei unterschiedlich positionierten Zeitungstiteln auf dem Berliner Markt sein Marktpotential besser ausschöpfen und den Wettbewerbern die Gewinnung von Lesern deutlich erschweren könnte. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund der erfahrungsgemäß starken Bindung zwischen dem Leser und "seiner" Zeitung (Leser-Blatt-Bindung) zu sehen, die bei regionalen Abo-Tageszeitungen höher ist als bei anderen Konsumgütern.
Dem Axel-Springer-Verlag als einzigem ernsthaften Wettbewerber mit Berliner Morgenpost und Welt/Welt am Sonntag stehen keine vergleichbaren Strategiemöglichkeiten zur Verfügung. Die Welt/Welt am Sonntag ist zudem mit ihrem relativ kleinen Berlin-Teil insgesamt wie die "Frankfurter Allgemeine Zeitung", "Süddeutsche Zeitung" und "Frankfurter Rundschau" als überregionale Zeitung konzipiert und steht deshalb vor allem mit diesen Zeitungen im Wettbewerb.
Zwar würde Holtzbrinck auf dem Anzeigenmarkt durch den Zusammenschluss keine führende Position erlangen. Das heute noch stärkere Gewicht des Axel-Springer-Verlages in diesem Marktsegment würde sich wegen des engen Zusammenhangs von Leser- und Anzeigenmärkten aber längerfristig zugunsten von Holtzbrinck abbauen. Demnach wird die marktbeherrschende Stellung von Holtzbrinck auf dem Lesermarkt nicht durch die Marktverhältnisse auf dem Anzeigenmarkt relativiert.
Nach einem Zusammenschluss würde Holtzbrinck außerdem mit den beiden mit großem Abstand führenden Stadtillustrierten "Tip" und "Zitty" eine marktbeherrschende Stellung erlangen.
Vor einer endgültigen Entscheidung haben die Unternehmen Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 4. Dezember 2002.