Bundeskartellamt untersagt Lufthansa Behinderung des Wettbewerbers Germania

19.02.2002

Das Bundeskartellamt sieht in der Preisstrategie der Deutschen Lufthansa AG (DLH) den Versuch, den neuen Wettbewerber Germania Fluggesellschaft mbH, Berlin, (Germania) zu verdrängen und befürchtet damit eine wesentliche Beeinträchtigung des aufkommenden Wettbewerbs. Das Amt hat der DLH deshalb untersagt, auf der Strecke Frankfurt – Berlin/Tegel einen Flugpreis (einschließlich Passagiergebühren) für die einfache Strecke pro Passagier zu verlangen, der nicht mindestens 35 Euro über dem Flugpreis der Germania liegt, solange DLH dadurch nicht mehr als 134 € in Rechnung stellen muss. Die Verfügung ist für sofort vollziehbar erklärt worden. 

Bundeskartellamtspräsident Ulf Böge: "Wenn die Germania durch die agressive Preisstrategie der DLH vom Markt gedrängt würde, kommt nicht nur der Wettbewerb auf der Flugstrecke Berlin-Frankfurt zum Erliegen. Das missbräuchliche Verhalten der DLH hätte darüber hinaus eine erhebliche Abschreckungswirkung auf andere potentielle Wettbewerber und auf anderen Routen, auf denen die DLH derzeit noch marktbeherrschend ist. Die Entstehung weiteren Wettbewerbs im innerdeutschen Luftverkehr würde auf Jahre hinaus zu lasten der Verbraucher nachhaltig blockiert." Zur Ankündigung der DLH, einen jahrelangen Rechtsstreit zu führen, führte Böge aus, dass das Bundeskartellamt im Hinblick auf das überwiegende öffentliche Interesse am Erhalt des beginnenden Wettbewerbs durch den Neuling Germania die sofortige Vollziehbarkeit seiner Missbrauchsentscheidung angeordnet habe. "Um irreparable Schäden für den Wettbewerb zu vermeiden, muss die Entscheidung auch während der Dauer des von Seiten der DLH bereits angekündigten Rechtsstreits durchsetzbar sein."

Sollte das Gericht auf Antrag der DLH wider Erwarten die sofortige Vollziehbarkeit außer Kraft setzen, sei der Gesetzgeber gefordert, durch die Verankerung dieses Instruments im Gesetz als Regelfall den Wettbewerb künftig besser zum Vorteil der Verbraucher zu gewährleisten .

Germania hatte am 12. November 2001 Linienflüge zwischen Berlin- Tegel und Frankfurt/Main aufgenommen. Die Tickets für den einfachen, voll flexiblen und umbuchbaren Flug hat das Unternehmen zu einem Preis von 99.- € angeboten. Die Konditionen entsprechen im wesentlichen den für Geschäftsreisende geeigneten Economy-Tarifen der DLH. DLH hat hierauf mit der Einführung eines ebenfalls im wesentlichen flexiblen Economy-Tarifes von insgesamt 200.- € für zwei getrennt zu buchende Hin- und Rückflüge, also im Durchschnitt 100.- € für die einfache Strecke (einschließlich Gebühren) reagiert. Dies stellt im Vergleich zu den bisher ausschließlich angebotenen voll flexiblen Economy-Tarifen eine Preissenkung von bisher 485 € auf 200 € (jeweils einschließlich Gebühren) bzw. um fast 60 % dar. Seit 1. Januar 2002 hat die DLH durch einen neu eingeführten Tarif den Flugpreis auf 105,11 € (Berlin-Frankfurt) bzw. 105, 31 (Frankfurt-Berlin) angehoben.

Die DLH hat mit diesem Flugpreis den Germania-Preis von 99 € faktisch deutlich unterboten, denn er enthält Leistungen, die Germania nicht anbietet. Neben Bordverpflegung und Getränken (Catering) können LH-Flugkunden am Vielfliegerprogramm miles&more  teilnehmen. Ferner stellt die mehr als dreifache Anzahl an Frequenzen insbesondere für Geschäftsreisende einen starken Anreiz dar, mit DLH und nicht mit Germania zu fliegen. Hinzu kommen weitere Vorteile der DLH wie der Zugang zu Reisebüros und die maßgebliche Beteiligung am Reservierungssystem Amadeus, die Einbindung der DLH in das Netz der Star Alliance sowie die Reputation bei langjährigen Geschäftskunden. Das Bundeskartellamt geht bei konservativer Berechnung von einem Preisvorteil von rund 35 € für den Einfachflug aus.

Die DLH unterschreitet mit dem geforderten Preis ihre eigenen durchschnittlichen Kosten pro Zahlgast deutlich. Diese Preisstrategie lässt sich rational nur nachvollziehen, wenn sie dem Ziel dient, Germania wieder von dieser Route zu verdrängen, um danach die entstandenen Verluste durch Einstellung dieses Tarifs und Rückkehr zu den alten Preisen auszugleichen. Fälle aus jüngster Zeit auf der Strecke München-London/Stansted und München-Frankfurt belegen diese Strategie. In beiden Fällen hat die DLH ihre Flugpreise wieder deutlich erhöht, nachdem die Wettbewerber Go-Fly bzw. Deutsche BA die Routen aufgegeben hatten.

Die Einführung des neuen Niedrigtarifs durch die DLH erfolgt gezielt auf den Wettbewerbsvorstoß der Germania. Dafür spricht nicht nur der Zeitpunkt, sondern auch der Umfang der Reaktion, die auf die Route Berlin-Frankfurt beschränkt ist. Auf keiner anderen Flugstrecke hat die DLH einen vergleichbar günstigen Tarif angeboten. Um das Gebot  der Verhältnismäßigkeit zu wahren, ist das Preisabstandsgebot der DLH in Höhe von 35 € zu Germania der Höhe nach und zeitlich begrenzt. Diese Begrenzung ist auch insoweit gerechtfertigt, als sich Germania nach über zwei Jahren einen hinreichenden Bekanntheitsgrad verschafft, Kundenbindungen aufgebaut und Verfahrensabläufe sowie andere Wettbewerbsfaktoren soweit optimiert haben dürfte, dass ein Schutz vor Verdrängungswettbewerb im Umfang der jetzigen Verfügung nicht mehr erforderlich sein dürfte.

English version

  • Bundeskartellamt prohibits Lufthansa from hindering its rival Germania