Bundeskartellamt untersagt Zusammenschluss Tagesspiegel/Berliner Zeitung
12.12.2002
Das Bundeskartellamt hat den Erwerb der Kontrolle über den Berliner Verlag KG, Berlin, (u.a. Berliner Zeitung, Berliner Kurier, Stadtillustrierte Tip) durch die Holtzbrinck KG, Stuttgart, (u.a. Tagesspiegel, Stadtillustrierte Zitty) untersagt. Der Zusammenschluss hätte zur Entstehung einer marktbeherrschenden Stellung von Holtzbrinck auf dem Lesermarkt für regionale Abonnement-Tageszeitungen in Berlin und dem dortigen Lesermarkt für Stadtillustrierte geführt.
Kartellamtspräsident Ulf Böge: "Die Unternehmen haben nach der Abmahnung lediglich angeboten, die Stadtillustrierten zu veräußern. Das wettbewerbsrechtliche Problem auf dem Lesermarkt für regionale Abonnement-Tageszeitungen in Berlin wäre damit jedoch nicht gelöst worden. Eine Freigabe des Zusammenschlusses mit Auflagen war vor diesem Hintergrund ausgeschlossen."
Holtzbrinck wäre nach einem Zusammenschluss mit großem Abstand Marktführer auf dem Berliner Lesermarkt für regionale Abonnement-Tageszeitungen geworden. Das Unternehmen würde mit über 60% einen Marktanteil erlangen, der nahezu doppelt so hoch wie der des nachfolgenden Wettbewerbers Axel-Springer-Verlag liegt.
Diesen Vorsprung könnte Holtzbrinck durch Strategiemaßnahmen wie der Zeitungsgestaltung im Ost- bzw. Westteil von Berlin oder durch Anzeigenpreisstrategien absichern oder sogar weiter ausbauen. Dies bedeutet, dass Holtzbrinck mit zwei unterschiedlich positionierten Zeitungstiteln auf dem Berliner Markt sein Marktpotential besser ausschöpfen und den Wettbewerbern die Gewinnung von Lesern deutlich erschweren könnte. Dem Axel-Springer-Verlag als einzigem ernsthaften Wettbewerber mit Berliner Morgenpost und Welt / Welt am Sonntag stehen keine vergleichbaren Strategiemöglichkeiten zur Verfügung.
Straßenverkaufszeitungen (Boulevardzeitungen) sind nach ständiger Verwaltungspraxis und Rechtsprechung nicht in den Lesermarkt für regionale Abonnement-Tageszeitungen einzubeziehen. Sie unterscheiden sich in Breite und Tiefe der Berichterstattung, Art der Darstellung sowie Nachrichten- und Berichtsschwerpunkten. Nach den Ermittlungen des Bundeskartellamtes hatten selbst intensive Verkaufsförderungsmaßnahmen bei Straßenverkaufszeitungen in Berlin keine feststellbaren Auswirkungen auf den Absatz von regionalen Abonnement-Tageszeitungen im Einzelverkauf.
Die marktbeherrschende Stellung von Holtzbrinck auf dem Lesermarkt wird nicht durch die Marktverhältnisse auf dem Anzeigenmarkt eingeschränkt. Zwar hat der Axel-Springer-Verlag auf diesem Markt heute eine führende Stellung. Diese Position hatte jedoch schon in der Vergangenheit keinen gewichtigen Einfluss auf die Marktstruktur und deren Veränderung auf dem betroffenen Lesermarkt. Eine relativierende Wirkung wäre nach einem Zusammenschluss und der damit verbundenen Stärkung von Holtzbrinck auf dem Lesermarkt noch weniger zu erwarten.
Die Voraussetzungen für eine Sanierungsfusion liegen nach Auffassung des Amtes nicht vor. So ist nicht ersichtlich, dass auf dem Berliner Markt nicht drei unabhängige Verlage mit großen regionalen Abonnement-Tageszeitungen auf Dauer bestehen können. Im Übrigen gab es neben Holtzbrinck auch andere Kaufinteressenten mit dem Ziel, die Berliner Zeitung neben dem Tagesspiegel und der Berliner Morgenpost fortzuführen.