Bundeskartellamt prüft Preisanpassungsklauseln bei Fernwärme

16.11.2023

Das Bundeskartellamt hat Verfahren gegen insgesamt sechs Stadtwerke und Fernwärmeversorger wegen des Verdachts auf missbräuchlich überhöhte Preissteigerungen im Zeitraum von Januar 2021 bis September 2023 eröffnet. Die Behörde prüft dabei insbesondere die konkrete Anwendung von sogenannten Preisanpassungsklauseln. Diese Klauseln verwenden Fernwärmeversorger bei der Anpassung ihrer Preise, um sowohl die allgemeine Marktentwicklung als auch die Kosten für diejenige Energie, die konkret bei der eigenen Wärmeerzeugung eingesetzt wird, abzubilden.

Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes: Fernwärmeversorger verfügen in ihren jeweiligen Netzgebieten über eine Monopolstellung. Die Verbraucherinnen und Verbraucher können den Anbieter nicht wechseln. Deshalb unterliegen die Versorger auch dem kartellrechtlichen Missbrauchsverbot. Wir prüfen in diesen Verfahren insbesondere, ob die konkret verwendeten Preisanpassungsklauseln gegen rechtliche Vorgaben verstoßen und so zu höheren Preisen für Verbraucherinnen und Verbraucher geführt haben. Die Fernwärmepreise müssen sich an der Entwicklung der tatsächlichen Kosten der Versorger und der allgemeinen Preisentwicklung in der Wärmeversorgung orientieren. Es wirft zum Beispiel Fragen auf, wenn ein Unternehmen den Fernwärmepreis an die Entwicklung des Gaspreises angepasst hat, obwohl tatsächlich auch andere günstigere Alternativen für die Wärmeerzeugung verwendet wurden.

Die Preisanpassungsklauseln werden in der Regel in Verbindung mit öffentlich verfügbaren Preisindizes für die jeweilige Energieform verwendet. Bei der eingesetzten Energie kann es sich zum Beispiel um Gas oder Kohle aber auch um Holz, Müll, erneuerbare Energien oder Abwärme handeln.

Die Verfahren des Bundeskartellamtes greifen insbesondere Fälle auf, in denen der Verdacht besteht, dass durch die Auswahl der Preisindizes die tatsächliche Entwicklung der Kosten nicht angemessen abgebildet, sondern deutlich überzeichnet wird. Einzelne Klauseln knüpfen beispielsweise ausschließlich an einen Erdgas-Index an, während der Versorger tatsächlich zu einem substantiellen Anteil andere Energien, wie zum Beispiel erneuerbare Energien, bei der Wärmeerzeugung einsetzt. Außerdem wird dem Verdacht nachgegangen, ob und inwieweit durch eine zu geringe Gewichtung der allgemeinen Preisentwicklung im Wärmebereich die jeweils konkret verwendete Preisanpassungsklausel im Ergebnis ebenfalls überschießende Preissteigerungen zur Folge hatte.

Bei der Ausgestaltung der Preisanpassungsklauseln müssen die Versorger die rechtlichen Vorgaben der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme beachten. Ein Verstoß gegen diese Vorgaben kann auch missbräuchlich im Sinne des Kartellrechts sein. Fernwärmeversorger sind typischerweise innerhalb ihres Fernwärmenetzes marktbeherrschend, da Endverbraucher keine Wechselmöglichkeiten mehr haben, sobald sie sich einmal für das Heizsystem Fernwärme entschieden haben. Die Versorgungsunternehmen unterliegen daher auch dem kartellrechtlichen Missbrauchsverbot.

Die jetzt eingeleiteten Ermittlungen gegen sechs Unternehmen betreffen insgesamt neun Fernwärmenetze in vier verschiedenen Bundesländern. In der Regel sind für die Anwendung der Missbrauchsvorschriften im Fernwärmebereich die Landeskartellbehörden zuständig, da die betroffenen Netze jeweils innerhalb eines konkreten Bundeslands liegen. Aufgrund der grundsätzlichen und bundesländerübergreifenden Bedeutung der relevanten Fragestellungen haben die betroffenen Landeskartellbehörden jedoch auf Antrag des Bundeskartellamtes ihre Zuständigkeit an das Bundeskartellamt abgegeben.

Hintergrund:

Für die Ausgestaltung von Preisanpassungsklauseln in Fernwärmelieferungsverträgen mit privaten Endkundinnen und Endkunden gibt es rechtliche Vorgaben, die in § 24 Abs. 4 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme (AVBFernwärmeV) enthalten sind. Danach dürfen Preisanpassungsklauseln nur so ausgestaltet sein, dass sie sowohl die Kostenentwicklung bei Erzeugung und Bereitstellung der Fernwärme durch den Versorger (sogenanntes Kostenelement) als auch die jeweiligen Verhältnisse auf dem Wärmemarkt (sogenanntes Marktelement) angemessen berücksichtigen. Diese Vorgaben hat der Bundesgerichtshof in den letzten Jahren in zahlreichen Entscheidungen konkretisiert. Danach darf das Kostenelement nur dann an einen Index anknüpfen, wenn sich die konkreten Energiebezugskosten des Versorgers im Wesentlichen – wenn auch mit gewissen Spielräumen – in gleicher Weise entwickeln wie der Index (vgl. BGH, Urt. v. 13. Juli 2011, VIII ZR 339/10, Rn. 25). Das sogenannte Marktelement, das die Kosten der Endverbraucherinnen und Endverbraucher für einen Mix verschiedener Energieträger bzw. Heizungsarten abbilden soll, muss grundsätzlich den gleichen Rang haben wie das Kostenelement; Abstufungen sind nur im Rahmen der Angemessenheit möglich (vgl. BGH, Urt. v. 18. Dezember 2019, VIII ZR 209/18, Rn. 22).

Unabhängig von den Verfahren des Bundeskartellamtes können private Fernwärmekundinnen und -kunden einen Verstoß gegen die Vorgaben des § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV stets auch auf dem Zivilrechtsweg geltend machen.

Englische Version:

  • Bundeskartellamt examines price adjustment clauses in district heating

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