Dr. Bernhard Heitzer
Präsident des Bundeskartellamtes Statement zur Pressekonferenz am 27. September 2007

27.09.2007

Im Dezember letzten Jahres hatte das Bundeskartellamt das Stromversorgungsunternehmen RWE wegen überhöhter Strompreise im Hinblick auf den CO2 Zertifikatehandel abgemahnt. Hintergrund waren eine Reihe von Beschwerden, die Mitte des Jahres 2005 nach Einführung des CO2-Zertifikatehandels wegen der Auswirkungen auf den Strompreis eingereicht worden waren. Der Verband der industriellen Energie- und Kraftwerkwirtschaft, VIK, bezifferte den der CO2-Einpreisung zuzurechnenden Strompreisanstieg auf ca. 5 Mrd. € pro Jahr. Es wurde dabei auch auf die im Jahr 2005 allgemein drastisch gestiegenen Strompreise hingewiesen.

Ich möchte Sie heute über den Ausgang des Verfahrens informieren.

RWE ist im August diesen Jahres mit einem Zusagenangebot auf das Bundeskartellamt zugegangen.
Das Bundeskartellamt hat die Zusagen der RWE mit seiner gestrigen Entscheidung bindend gemacht.
Mit diesen Verpflichtungszusagen konnte RWE die vom Bundeskartellamt in seiner Abmahnung im Dezember letzten Jahres festgestellten wettbewerblichen Bedenken ausräumen.

Ich werde das im Folgenden begründen:

II.
Zum Hintergrund:

1. Mitte des Jahres 2005 wurden bei der Beschlussabteilung eine Reihe von Beschwerden im Hinblick auf die Einführung des CO2-Emissionshandels und dessen Auswirkungen auf die Strompreisbildung eingereicht. RWE und anderen Stromerzeugern wurde darin vorgeworfen, den jeweils aktuellen Kurswert der ihnen unentgeltlich zugeteilten Emissionszertifikate in ihre Stromverkaufspreise einzupreisen.
2. Der Vorwurf besteht im Kern darin, das „Einpreisen“ führe zu einem den Strompreis insgesamt aufblähenden „Opportunitätsgewinn“. Die unentgeltlich zugeteilten Emissionszertifikate stellten rein kalkulatorische Kosten dar, denen keine tatsächlichen Kosten gegenüberstünden. Die Praxis der Einpreisung sei nur angesichts eines auf den Strommärkten fehlenden wesentlichen Wettbewerbs möglich.
3. Unternehmen in anderen Wirtschaftsbereichen, denen ebenfalls unentgeltlich Emissionszertifikate zugeteilt wurden, seien aufgrund eines dort funktionierenden Wettbewerbs nicht in der Lage, diese als Opportunitätskosten in ihre Verkaufspreise einzupreisen. Im Gesetzgebungsverfahren habe man sich bewusst gegen eine unmittelbar auf die Kosten wirkende Versteigerung der Emissionszertifikate und für eine unentgeltliche Zuteilung entschieden. Tragende Argumente waren dabei, Kostenbelastungen für deutsche Unternehmen und Wettbewerbsverzerrungen im Verhältnis zum außereuropäischen Ausland zu vermeiden.
4. Im Dezember letzten Jahres ist das Bundeskartellamt zu der Einschätzung gelangt, dass RWE zumindest für 2005 seine Preise im Markt für Industriekunden missbräuchlich überhöht hat.
5. Unsere vorläufige Beurteilung beruhte sowohl auf einer relativen Betrachtung, die auf Vergleiche mit anderen Industriebereichen zurückgreift, als auch auf einer absoluten Betrachtung, in der tatsächliche oder rechtliche Restriktionen für eine alternative Verwendung unentgeltlich zugeteilter Emissionszertifikate eine Rolle spielten.

III.
6. Um einer entsprechenden Untersagungsverfügung des Bundeskartellamts zu entgegnen, ist RWE im August diesen Jahres mit einem Zusagenangebot auf das Bundeskartellamt zugegangen.

7. Das Instrument der Verpflichtungszusagen wurde mit der 7. GWB Novelle im Jahre 2005 geschaffen. Es beinhaltet die Möglichkeit, durch geeignete Zusagen die wettbewerblichen Bedenken des Bundeskartellamts auszuräumen. Im Gegenzug stellt das Bundeskartellamt das Verfahren ein.
8. Die Verpflichtungszusagen werden durch Beschluss des Bundeskartellamts für bindend erklärt. Dies bedeutet, dass das Verfahren wieder aufgenommen werden kann, wenn die Unternehmen ihre Zusagen nicht einhalten.
9. Verpflichtungszusagen bergen somit den Vorteil, dass unmittelbar Verbesserungen für die Betroffenen erzielt werden können, die andernfalls nur nach zeitaufwendige Gerichtsverfahren zu erreichen wären.
10. Konkret verpflichtet sich RWE für den Zeitraum 2009 - 2012 jeweils 6.300 MW per Auktion zu versteigern. Dabei wird der Preis den tatsächlichen Erzeugungskosten der spezifischen Kraftwerke entsprechen. Opportunitätskosten aus den unentgeltlich zugeteilten Zertifikaten werden hier ausdrücklich nicht Bestandteil des Preises sein.
11. Dies entspricht 16 Auktionen mit einer Gesamtstrommenge von über 46. Mio. Megawattstunden.
12. Die Auktion steht ausschließlich letztverbrauchenden Industriekunden offen. Händler sind ausdrücklich von der Auktion ausgeschlossen. Damit wird eine geschäftsmäßige Arbitrierung mittels Wiederverkauf durch Händler und Finanzinstitute unterbunden. Um auch kleinen und mittleren Unternehmen den Zugang zu ermöglichen, werden die Kapazitäten in 1MW-Schritten versteigert. Dadurch wird auch eine Alternative zur kostenintensiven Vollversorgung geschaffen.
13. Die Auktionen erfolgen nach einem transparenten Auktionsmechanismus und werden von einem unabhängigen Auktionator durchgeführt. Ein für das Bundeskartellamt tätiger Treuhänder wird dem Auktionator zur Seite gestellt. RWE wird während der Auktionen von den Informationen über den Verlauf der Auktionen ausgeschlossen sein. Während der Auktionen wird es möglich sein aufgrund der gesammelten Erfahrungen die Auktionsbedingungen wenn nötig anzupassen.
14. Um noch einmal die wichtigsten Punkte zusammenzufassen:
• RWE wird eine signifikante Strommenge über eine transparentes Auktionsverfahren versteigern.
• In der Auktion werden die Opportunitätskosten aus unentgeltlich zugeteilten Emissionszertifikaten nicht in den Preis mit einfließen.
• Durch die transparente Auktion direkt an letztverbrauchende Industriekunden wird eine Arbitrierung durch Händler verhindert.
• Den Industriekunden entstehen im Vergleich niedrigere Beschaffungskosten.

IV.

Die so gefundene Lösung bietet den Industriekunden den unmittelbaren Vorteil, kurzfristig zu geringeren Beschaffungskosten Strom beziehen zu können. Eine langwierige gerichtliche Auseinandersetzung um eine Untersagung hätte einen weniger unmittelbaren Erfolg für die Industriekunden bedeutet.
Dieses Verfahren bezog sich ausschließlich auf das Jahr 2005. Für die darauffolgenden Jahre haben sich die Rahmenbedingungen dahingehend geändert, dass die Emissionszertifikate im NAP II nicht mehr unentgeltlich vergeben werden. Auch sind die Preise für Emissionszertifikate seit 2006 erheblich bis auf nahezu null gesunken.
Der Abschluss dieses Verfahrens bedeutet allerdings nicht, dass das Bundeskartellamt zukünftig weniger auf die Höhe der Strompreise schauen wird. Insbesondere im Hinblick auf die Verschärfung der Preismissbrauchsaufsicht behält sich das Bundeskartellamt zukünftiges Einschreiten gegen missbräuchlich überhöhte Strompreise offen.

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