„Kein Bedarf an Erleichterungen“

textintern: Warum haben Sie den Verkauf der TV-Zeitschriften von Springer an die Funke Mediengruppe grundsätzlich genehmigt?

Mundt: Dieser Verkauf konnte genehmigt werden, nachdem die Beteiligten bereit waren, die wettbewerblichen Probleme zu lösen. Durch den Verkauf von acht Titeln an den Klambt-Verlag, der bisher keine TV-Zeitschriften anbietet, ist sichergestellt, dass weiterhin genügend Anbieter im Markt tätig sind. Auch durch eine bestimmte Auswahl dieser Titel konnten Wettbewerbsbeschränkungen vermieden werden.

textintern: Welche Kriterien haben Sie bei dieser Entscheidung berücksichtigt?

Mundt Die Ausgangslage war die Verstärkung des Oligopols durch den Wegfall eines wichtigen Wettbewerbers. Um in so einer kritischen Marktsituation mit wenigen Anbietern eine Freigabe zu erteilen, müssen alle Bedenken ausgeräumt werden. Die Gerichte sind in solchen Fällen sehr streng. Die Auflagen sollten deshalb an den negativen Wirkungen selber anknüpfen, wobei nur so genannte strukturelle Maßnahmen, in der Regel Veräußerungsauflagen, möglich sind. Drei Punkte waren uns wichtig: Der Erwerber muss mit den Titeln eine wettbewerbsfähige und nachhaltige Marktposition erhalten und zudem finanziell in der Lage sein, sich im Markt zu behaupten. Außerdem haben wir darauf geachtet, dass Funke als Veräußerer keinen Einfluss auf den Erwerber, also zum Beispiel auf Unternehmensstrategie oder Investitionen, nehmen kann.

textintern: Aus welchen Gründen haben Sie die Auflage erteilt?

Mundt: Unsere genaue Prüfung ergab, dass es bei TV-Programmzeitschriften ein marktbeherrschendes Oligopol mit vier Anbietern gibt. Außer Springer und Funke geben in Deutschland nur noch zwei andere Verlage solche Zeitschriften heraus: Der Heinrich Bauer Verlag und Hubert Burda Media. Bei einer kompletten Übernahme der bisher von Springer verlegten Titel durch Funke wäre die Zahl der Anbieter sowohl auf dem Leser- als auch auf dem Anzeigenmarkt von vier auf drei gesunken, eine Verstärkung des marktbeherrschenden Oligopols.

textintern: Wird denn durch Ihre Auflage tatsächlich erreicht, dass es weiterhin vier große Player im Markt gibt? Die Programmzeitschriften, die der Klambt-Verlag bekommt, spielen im Markt für TV-Zeitschriften eher eine untergeordnete Rolle.

Mundt: Das würde ich nicht so sehen. Mit der Funk Uhr übernimmt der Klambt-Verlag einen starken und traditionsreichen Titel, der durch seine hohe Abo-Quote besonders werthaltig ist. Das Gesamtpaket passt zudem sehr gut in das bestehende Portfolio dieses Anbieters. Das erhöht aus unserer Sicht die Erfolgsaussichten von Klambt im Segment der TV-Zeitschriften ganz erheblich.

textintern: Andererseits hat sich die Marktmacht von Funke durch den Erwerb der Hörzu und tv digital doch deutlich erhöht.

Mundt: Richtig, durch die Übernahme der Hörzu und tv digital ist die Bedeutung von Funke im Quartett der Anbieter erheblich gestiegen. Die Mediengruppe ist, gemessen am Marktanteil, künftig die Nummer zwei nach Bauer – diese Position hatte vorher der Springer Verlag inne. Im Ergebnis ist die frühere Struktur aber erhalten geblieben. Ein weitergehender Eingriff ist gesetzlich nicht möglich.

textintern: Besteht der Markt für TV-Zeitschriften nicht eigentlich sogar aus drei und mehr verschiedenen Märkten? Es gibt die etablierten Blätter wie Hörzu oder Gong, dann die reinen Spielfilm-Zeitschriften, das neue Segment der preiswerten Titel (bis 1 Euro) und auch immer mehr Spezialblätter?

Mundt: Sicherlich gibt es solche Unterschiede: Wir sprechen dabei von unterschiedlicher wettbewerblicher Nähe, aber innerhalb eines Marktes. Eine Unterteilung der einzelnen Bereiche in getrennte Märkte wäre nicht sachgerecht, weil die meisten Anbieter Zeitschriften in allen Segmenten anbieten und ein Wechsel zwischen diesen Segmenten für sie zumeist problemlos möglich ist. Bei der Gestaltung der Bedingungen haben wir allerdings diese Unterteilung des Marktes in verschiedene Segmente berücksichtigt: So musste die neue „vierte Kraft“ Klambt mindestens einen auflagenstarken wöchentlichen Titel und mindestens eine vierzehntäglich erscheinende TV-Zeitschrift übernehmen.

textintern: Bei der Prüfung dieses Deals fehlt noch das Gemeinschaftsunternehmen, das Springer und Funke für den Vertrieb von Anzeigen und Printtiteln gründen wollen. Wie ist dieses Vorhaben aus kartellrechtlicher Sicht zu beurteilen?

Mundt: In diese Prüfung werden wir einsteigen, sobald Springer und Funke uns dazu ihre aktuellen Pläne mitgeteilt haben. Eine kartellrechtliche Einschätzung kann ich Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht geben, denn die hängt von den Details der Ausgestaltung der Gemeinschaftsunternehmen ab. Außerdem werden wir sicherlich weitere Ermittlungen durchführen müssen, um die Auswirkungen auf den Markt genau zu prüfen.

textintern: Die Große Koalition plant wettbewerbsrechtliche Erleichterungen für die Zusammenarbeit von Verlagen, um dem Zeitungssterben entgegenzuwirken. Halten Sie solche Maßnahmen für notwendig und sinnvoll?

Mundt: Aus unserer Sicht besteht kein Bedarf für solche Erleichterungen. Kooperationen außerhalb der Zusammenschlusskontrolle sind im Pressebereich weder vom Bundeskartellamt noch von den Landeskartellbehörden untersagt worden. Es gibt deswegen auch eine Vielzahl von funktionierenden Kooperationen sowohl im Redaktions- als auch im Anzeigenbereich.

textintern: Wo sehen Sie derzeit die größten Gefahren für Wettbewerbsbeschränkungen im Medienbereich?

Mundt: Hier gibt es keinen Schwerpunkt. Eine Kartellbehörde wird in der Regel dort häufig auf den Plan treten, wo die Konzentration besonders hoch ist. Das ist sicher schon in manchen Medienbereichen wie dem Fernsehwerbemarkt, in einigen regionalen Pressemärkten oder bei Online-Suchmaschinen mit Google der Fall. Wegen der immer auch betroffenen Meinungsvielfalt müssen wir in diesen Bereichen aber sehr umsichtig vorgehen. Gleichzeitig sind Medienmärkte auch dynamische Märkte, ein Umstand, der Probleme relativieren, aber auch neue schaffen kann – wenn Unternehmen gerade diese Dynamik zur Sicherung ihrer Marktmacht in der „alten Welt“ einschränken wollen.

textintern: Sie haben in den vergangenen Monaten die geplanten Videoplattformen von ARD und ZDF sowie von RTL und Pro-SiebenSat.1 untersagt. Welche Benachteiligungen haben Sie bei diesen Projekten gesehen?

Mundt: Zunächst muss klargestellt werden, dass wir nicht die Plattformen untersagt haben, sondern die spezifischen Ausgestaltungen der Plattformen. In beiden Fällen haben sich die Beteiligten letztlich geweigert, sie kartellrechtskonform zu gestalten. ARD und ZDF planten ein extrem weitgehendes Modell mit voller Koordinierung von Preisen und Konditionen sowie Exklusivität ihrer Inhalte. Ein wichtiges Problem lag zudem in der Wettbewerbsverzerrung durch die Gebührenfinanzierung. RTL und ProSiebenSat.1 wollten die Inhalte, die auf ihr Portal kommen sollten, untereinander absprechen und ebenfalls keine offene Plattform anbieten. Für uns stand deren gemeinsame Marktbeherrschung auf dem Fernsehwerbemarkt im Vordergrund, die sich verstärkt hätte, wenn sie auch die digitale Verbreitung ihrer TVInhalte koordiniert hätten.

Das Interview führte Thomas Müncher.

Quelle: textintern Ausgabe 22/23, Donnerstag, 6. Juni 2014

Hinweis zur Verwendung von Cookies

Cookies erleichtern die Bereitstellung unserer Dienste. Mit der Nutzung unserer Dienste erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies verwenden. Weitere Informationen zum Datenschutz erhalten Sie über den folgenden Link: Datenschutz

OK