"Ich empfinde keine Schadenfreude"

DNK: Herr Mundt, fast könnte man meinen, die EU-Kommission stehle Ihnen derzeit die Show. Beihilferechtliche Entscheidungen aus Brüssel haben im Juli in Rheinland-Pfalz den kommunalen Zweckverband Tierkörperbeseitigung in die Liquidation und den teilweise kommunalen Flughafen Zweibrücken in die Insolvenz getrieben. Mit dem subventionierten Wirtschaften ist dort nun Schluss. Ist das Beihilferecht das viel schärfere Schwert als Ihr Steckenpferd, das Wettbewerbsrecht?

Mundt: Nein, beide Instrumente sind gewissermaßen Geschwister. Gemeinsames Ziel ist es, den Wettbewerb zu schützen. Dass öffentliche Institutionen häufiger mit dem Beihilferecht zu tun haben als mit dem Kartellrecht, liegt in der Natur der Sache.

DNK: Ganz ohne juristischen Eingriff sind die Geraer Stadtwerke und Verkehrsbetriebe vor einigen Wochen in die Insolvenz gerutscht. Wenig später folgten die Stadtwerke Wanzleben. Sie sehen das wirtschaftliche Streben der Kommunen grundsätzlich kritisch. Fühlen Sie sich durch die Insolvenzen bestätigt?

Mundt: So kann man das nun wirklich nicht sagen. Es ist ja schließlich nicht so, dass ich etwa Schadenfreude empfände, wenn es zu wirtschaftlichen Turbulenzen kommt. Das Gegenteil ist richtig, im Hinblick auf die betroffenen Unternehmen und die einzelnen Schicksale, die damit verbunden sind. Die Fälle zeigen lediglich, dass kommunale Unternehmen grundsätzlich vor den gleichen Problemen stehen wie alle anderen Unternehmen auch. Kommunen sind in ihrer wirtschaftlichen Betätigung zum Teil zu sehr auf kurzfristige Erlöse konzentriert. Der Blick in die Zukunft läuft Gefahr, dabei vernachlässigt zu werden, vor allem wenn es um die nötigen Investitionen geht. Hier ist echtes Unternehmertum gefragt. Es gibt viele kommunale Unternehmen, die das können, aber es gibt auch viele, denen dieser strategische Blick fehlt. Der wesentliche Unterschied zu Privaten ist: Wenn es schiefgeht, ist der Leidtragende am Ende immer der Bürger. Den Kommunen muss klar sein, dass ihre Unternehmen in die Insolvenz rutschen können, wenn sie sich wirtschaftlich betätigen.

DNK: In Gera hakte es im Bereich ÖPNV. Derzeit geraten aber auch zahlreiche Stadtwerke im Energiesektor in Schieflage, vor allem dort, wo in konventionelle Energien investiert worden ist. Denn die haben aufgrund des Einspeisevorrangs erneuerbarer Energien das Nachsehen. Verantwortlich für die Misere seien die Rahmenbedingungen und nicht eigene Ineffizienzen, heißt es dann seitens der Kommunen. Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) fordert daher eine Vergütung für die Vorhaltung von Kraftwerkskapazitäten, die zum Ausgleich der volatilen erneuerbaren Energien nötig seien.

Mundt: Dieses Thema wird uns in der kommenden Zeit intensiv beschäftigen. Beim Thema Strommarkt gab es in den vergangenen Jahren eine etwas erratische politische Entscheidungsfindung. Viele Unternehmen, die im Vertrauen auf bestimmte Rahmenbedingungen Investitionen getätigt haben, sehen sich heute einem völlig anderen Umfeld ausgesetzt als erwartet. Daraus resultieren nun politische Forderungen, die im Kleide der Kapazitätsmärkte gewandet daherkommen. Ich kann diese Forderungen in gewisser Weise nachvollziehen, halte aber die Einführung von Kapazitätsmärkten in der jetzigen Situation für falsch.

DNK: Warum?

Mundt: Wenn wir im Strommarkt überhaupt ein Kapazitätsproblem haben, dann geht es derzeit um Überkapazitäten. Diese sind ein wesentlicher Grund dafür, dass das Preisniveau derzeit so niedrig ist. Hier muss zunächst eine Marktbereinigung stattfinden, damit der Markt wieder die richtigen Preissignale aussendet und sinnvolle Investitionen stimuliert. Es ist daher wichtig, auch in Zukunft auf Marktmechanismen zu setzen. Wenn die Versorgungssicherheit gefährdet ist, sollte auf das Instrument der strategischen Reserve zurückgegriffen werden.

DNK: Genau so eine Reserve soll doch der Kapazitätsmarkt sichern …

Mundt: Die Frage ist aber, wie stark wir in den Markt eingreifen. In einem Kapazitätsmarkt erhalten alle Kraftwerksbetreiber eine Vergütung für die Bereitstellung von Kapazitäten. Das halte ich angesichts der bestehenden Überkapazitäten für falsch. Die Idee hinter der strategischen Reserve dagegen ist, dass Netzbetreiber verpflichtet werden, außerhalb des Marktes eine gewisse Kapazitätsreserve für mögliche Engpässe vorzuhalten. Und das lässt sich recht schlank organisieren.

DNK: Das dürfte einige Netzbetreiber nicht unbedingt freuen. Aber das wäre nicht das erste Mal, dass Ihre Positionen in dieser Gruppe auf Unmut stoßen. Inzwischen gibt es eine ganze Reihe von Gerichtsverfahren zur Netzvergabe, ein Thema, das Sie maßgeblich vorangetrieben haben. Erst im Juni hat der Bundesgerichtshof eine Netzvergabe der Stadt Homberg gekippt. Kommunalvertreter beklagen, die Rechtslage sei sehr unübersichtlich, es sei kaum möglich, eine Vergabe rechtssicher durchzuführen. Können Sie das nachvollziehen?

Mundt: Nein. Die Vergabe ist zwar keine triviale Angelegenheit, aber machbar ist sie durchaus. Wir haben hierzu zusammen mit der Bundesnetzagentur einen öffentlich zugänglichen Leitfaden erstellt und bieten zudem aktive Begleitung an. Die problematischen Fälle entstehen doch in Wirklichkeit dadurch, dass einige Kommunen das Prinzip der Diskriminierungsfreiheit zu umgehen versuchen und ihre eigenen Stadtwerke bei der Vergabe bevorzugen wollen. Sie nutzen damit ihre marktbeherrschende Stellung aus. Das verstößt gegen die Vorgaben des Energiewirtschaftsgesetzes und die des Kartellrechts. Inzwischen hat auch der Bundesgerichtshof unsere Auffassung bestätigt, dass ausschreibungsfreie Inhouse-Vergaben unzulässig sind und kommunale Anbieter nicht bevorzugt werden dürfen.

DNK: Dass der beste Anbieter den Zuschlag erhalten sollte, mag einleuchten. In einem anderen Bereich, bei der Abfallentsorgung, wird dieses Prinzip mit dem reformierten Kreislaufwirtschaftsgesetz auch eingehalten. Nur müssen hier private Anbieter im Zweifel nachweisen, dass sie besser sind. Ist das nicht ein guter Mittelweg?

Mundt: Nein, das sehe ich sehr skeptisch. Private Anbieter sehen sich hierdurch erheblichen Wettbewerbsnachteilen ausgesetzt und sind mit erheblicher Rechtsunsicherheit konfrontiert. Besonders problematisch ist, dass in einigen Bundesländern die Kommunen selbst den Vollzug des Kreislaufwirtschaftsgesetzes überwachen. Hier sind Interessenskonflikte vorprogrammiert. Ich kann Ihnen ein Beispiel aus Köln nennen, wo die Stadt einem Privaten untersagt hat, acht Altkleidercontainer aufzustellen, mit der Begründung, ansonsten sei die kommunale Sammlung gefährdet. Die Frage der Verhältnismäßigkeit drängt sich geradezu auf. Letztlich obliegt es in diesen Fällen der jeweiligen Kommune selbst, darüber zu entscheiden, welchem Grad von Wettbewerb sie den eigenen öffentlichen Entsorger aussetzt.

DNK: Wie steht es denn um den politischen Einfluss in Ihren Hause? Sie sind dem Wirtschaftsministerium untergeordnet, das seit knapp einem Jahr nicht mehr von einem Ihrer Parteikollegen aus der FDP, sondern von einem Sozialdemokraten geleitet wird. Haben Sie unter Sigmar Gabriel bei Ihrer Arbeit weniger Rückenwind als noch unter Philipp Rösler?

Mundt: Nein, das macht keinen Unterschied. Wir sind ja eine unabhängige Behörde, die ihre Entscheidungen frei von Weisungen durch das Ministerium trifft. Natürlich arbeiten wir nicht im politikfreien Raum, aber wir arbeiten mit Herrn Gabriel genauso gut zusammen wie früher mit Herrn Rösler.

Die Fragen stellte Tobias Schmidt.

Quelle: Der Neue Kämmerer vom 17.9.2014.

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