"Ölmultis nutzen ihre Marktmacht"

Der Präsident des Bundeskartellamts, Andreas Mundt, beklagt, dass die großen Mineralölkonzerne den Rückgang des Ölpreises nur zum Teil an Benzinverbraucher weitergeben. Auch Autofahrer sollen die Tankstellenpreise bald täglich bundesweit im Internet einsehen können.

Frage: Die Ferienzeit hat angefangen. Beobachten Sie bereits, dass die Benzinpreise derzeit wieder steigen?

Mundt: Wir führen die Preisentwicklung nicht kontinuierlich nach. Für die aktuellen Preise können wir deshalb keine klare Aussage treffen. Die Preise sind derzeit recht hoch. Insofern habe ich schon den Eindruck, dass die Mineralölkonzerne den deutlichen Rückgang der Rohölpreise möglicherweise nicht in vollem Umfang an die Verbraucher weitergeben. Wir wissen aus der Vergangenheit, wie die fünf großen Konzerne ihre Marktmacht nutzen, um Preiserhöhungen durchzusetzen. Das haben wir in einer Langzeitstudie nachgewiesen.

Frage: Das Kartellamt konnte den Ölkonzernen aber unerlaubte Preisabsprachen nicht nachweisen und verbieten.

Mundt: Wir haben keine Hinweise auf Preisabsprachen vorgefunden, aber darauf hingewiesen, dass die fünf großen Konzerne in der Lage sind ihre Marktmacht einfach durch gegenseitiges Abgucken und Nachmachen auszuspielen. Absprachen scheinen hier gar nicht nötig, um dennoch risikofrei Preiserhöhungen durchzusetzen.

Frage: Die von der Bundesregierung geplante Markttransparenzstelle beim Kartellamt soll künftig die Benzinpreise täglich überwachen. Wann starten Sie?

Mundt: Die Markttransparenzstelle ist noch gar nicht gesetzlich beschlossen. Was auf dem Tisch liegt, ist ein Gesetzentwurf. Das Gesetz soll dafür sorgen, dass die Benzin-anbieter dem Kartellamt künftig kontinuierlich die Preise an den Raffinerien und an den Tankstellen melden. Wir können uns gut vorstellen, dass die Tankstellenpreise in Form einer Internet-Datenbank auch den Verbrauchern zur Verfügung gestellt werden. Wir müssen aber auch aufpassen, dass wir damit den Mineralölunternehmen nicht in die Hände spielen, die diese Daten bisher mühsam selber zusammen tragen. Wir müssen sicher stellen, dass wir nicht für die fünf Ölmultis das perfekte Marktinformationssystem aufbauen. Das könnte ihnen sogar dabei helfen, beispielsweise mit gezielten Maßnahmen freie Tankstellen vom Markt zu drängen.

Frage: Im April haben Sie ein Kartellverfahren gegen die fünf Mineralölkonzerne gestartet. Was waren die Gründe?

Mundt: Da geht es um so genannte Preis-Kosten-Scheren. Es besteht der Verdacht, dass die fünf Ölkonzerne ihr Benzin in einigen Fällen an den eigenen Tankstellen billiger verkauft haben, als sie es an die freien Tankstellen geliefert haben. Unser Ziel ist, mit der Branche zu Festlegungen zu kommen, wie solche Behinderungen des Geschäfts der freien Tankstellen künftig ausgeschlossen werden können. Die Betreiber der Jet-Tankstellen klagen gegen Ihr Auskunftsersuchen! Mundt Stimmt. Conoco/Phillips hat gegen unser Auskunftsersuchen Beschwerde beim Oberlandesgericht Düsseldorf eingelegt und einstweiligen Rechtsschutz beantragt. Hier wird das OLG Düsseldorf demnächst entscheiden. Das verzögert das Verfahren natürlich.

Frage: In Berlin haben Sie ein Kartellverfahren wegen überhöhter Wasserpreise eingeleitet. Sind auch in Nordrhein-Westfalen oder anderen Ländern solche Verfahren geplant?

Mundt: Wir haben aus diesem Verfahren sehr viele Erkenntnisse gewonnen, weil wir Wasserpreise, Erlöse und Strukturdaten der 40 größten Städte in Deutschland abgefragt haben. Darunter sind auch viele nordrhein-westfälische Städte. Wir müssen nun schauen, was wir mit diesen Daten machen. Auch die Landeskartellbehörden nehmen den Wassermarkt stärker unter die Lupe. Für diejenigen Unternehmen mit sehr hohen Wasserpreisen sind weitere Missbrauchsverfahren nicht ausgeschlossen. Wir hätten hier gerne weitergehende gesetzliche Befugnisse.

Frage: Wie bewerten Sie, dass das Kartellamt künftig auch die gesetzlichen Krankenkassen überwachen soll?

Mundt: Das ist notwendig und überfällig. Die wettbewerblichen Spielräume der Kassen sind größer geworden. Nehmen Sie nur die Einführung von Zusatzbeiträgen, mit denen ja der Wettbewerb unter den Krankenkassen belebt werden soll. Es kann und darf nicht sein, dass die Kassen sich darüber untereinander absprechen. Wir müssen auch verhindern, dass durch Kassenfusionen eine unerwünschte neue Marktmacht entsteht. Sinnvolle Kooperationen zwischen den Kassen werden selbstredend auch in der Zukunft möglich sein.


Birgit Marschall stellte die Fragen.

Quelle: Rheinische Post am 13.07.2012

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