"Sobald sich gewohnte Abläufe ändern, entsteht Unruhe"

proWALD: Das vom Bundeskartellamt gegen das Land Baden-Württemberg eröffnete sogenannte "Rundholzverfahren" sorgt für Besorgnis und Betroffenheit bei den einen und für positive wirtschaftliche Erwartungen bei den anderen. Welche Ziele verfolgt das Bundeskartellamt mit der Eröffnung dieses Verfahrens?

Mundt: Durch unsere Fallpraxis sind wir es gewohnt, dass jeder Betroffene auch seine eigenen Interessen im Blick hat. Das Bundeskartellamt aber hat keine eigenen Interessen im Spiel. Wir verfolgen das Ziel, dass Holz in Zukunft wettbewerbskonform und dadurch zu besseren Bedingungen vermarktet wird – und zwar für alle. Wir nehmen für uns in Anspruch, die Leitplanken für freien Wettbewerb zu setzen, damit der Markt effizienter werden kann. Denn der Wettbewerb sorgt letztlich immer für das beste Angebot, die richtige Menge in der besten Qualität zum richtigen Preis.

proWALD: Der Marktanteil des vom Land vermarkteten Nadelstammholzes wird laut Bundeskartellamt auf 60 % beziffert, die Sägeindustrie spricht mit indirekten Wirkungen gar von 80 %. Welchen Effekt auf die gehandelten Holzmengen und die Holzpreise erwartet das Bundeskartellamt nach Beendigung seines Verfahrens?

Mundt: Derzeit vermarktet das Land Baden-Württemberg sowohl das Holz aus dem eigenen Wald als auch das Holz aus den kommunalen und den privaten Wäldern. Dadurch erreicht das Land nach unseren Ermittlungen einen hohen Marktanteil von 60 Prozent des eingeschlagenen Rundholzes in Baden-Württemberg. Bei einer solchen Konstellation in der Privatwirtschaft würden wir von einem Vertriebskartell sprechen. Unser Bestreben ist es, diese gemeinsame Vermarktung aufzubrechen, mit dem Ziel, dass die Kunden nicht mehr einem monolithischen Block gegenüberstehen, sondern eine Wahl zwischen tatsächlichen Wettbewerbern haben. Das stimuliert die Marktkräfte und wird natürlich auch einen positiven Einfluss auf die Preise und Mengen haben. Die in der öffentlichen Diskussion geäußerte Befürchtung, dass durch unser Verfahren nicht genügend Holz mobilisiert wird, teilen wir nicht. Denn Waldbesitzer, die unabhängig vom Land vermarkten, können auch in Zukunft Kooperationen eingehen. Außerdem kann sich das Land auch weiterhin besonders um den Kleinstprivatwald bis zu 100 ha kümmern.

proWALD: Das Kartellamt wird sich bewusst darüber sein, dass die Durchführung seines Verfahrens für einige Gruppen in Baden-Württemberg gravierende Auswirkungen mit sich bringen wird. Fließen diese möglichen Auswirkungen in die Entscheidung des Bundeskartellamtes bezüglich der von den Betroffenen zu treffenden Maßnahmen ein? Welche Auswirkungen erwarten Sie für die einzelnen am Markt beteiligten Gruppen, wie z. B. den Landesforstbetrieb, den kleinen, mittleren und großen Privatwaldbesitz, den Kommunalwald, Säge- und Holzindustrie oder Forstunternehmer?

Mundt: Die Veränderungen bei der Holzvermarktung betreffen im Ergebnis alle Marktteilnehmer. Die Auswirkungen unserer Maßnahmen schauen wir uns natürlich ganz genau an. Auf die Forstverwaltung kommen dabei in der Tat einige Veränderungen zu. Wir kennen das aus unserer Fallpraxis: Sobald sich Geschäftsmodelle und gewohnte Abläufe ändern, entsteht Unruhe. Das ist bei der öffentlichen Verwaltung nicht anders als bei Unternehmen. Auch die Sägewerkbesitzer werden sich umstellen müssen. Ziel unseres Verfahrens ist ein breiteres Angebot für die Holzabnehmer, das ihnen bessere Verhandlungsspielräume vermittelt. Aber es kann auch aufwendiger für sie werden, das beste Angebot zu finden. Für den Klein- und Kleinstprivatwaldbesitzer bis 100 ha Fläche wird sich letztlich nicht viel ändern. Wie schon heute haben sie die Wahl, ob sie ihren Wald selbst oder in Kooperation mit dem Land, mit anderen Waldbesitzern, z. B. in forstwirtschaftlichen Zusammenschlüssen, bewirtschaften oder diese Aufgaben von qualifizierten Dritten wie Forstsachverständigen durchführen lassen. Es wird auf jeden Fall weiterhin einen Revierförster als Ansprechpartner geben. Großprivatwaldbesitzer kümmern sich bereits heute zum größten Teil selbst um ihren Wald oder sind in forstwirtschaftlichen Zusammenschlüssen organisiert. Änderungen wird es für die kommunalen Waldbesitzer geben, die über größere Waldflächen als 100 ha verfügen. Sie dürfen in Zukunft zwar nicht mehr über das Land vermarkten, können aber durchaus z. B. auf Landkreisebene miteinander kooperieren. Gerade sie verfügen zumindest aufgrund der Größe ihrer Waldflächen über das Potenzial, ihren Holzverkauf selbst oder mit anderen auch in privaten Kooperationen wie forstwirtschaftlichen Zusammenschlüssen zu tätigen. Im Ergebnis glaube ich nicht, dass die Änderungen in der Praxis zu größeren Schwierigkeiten führen werden. Und wir verlangen ja auch nichts Unmögliches. In Bayern etwa ist der Holzverkauf seit vielen Jahren wettbewerblich organisiert, und die Ergebnisse in Bayern sind sehr gut.

proWALD: Gibt es aus Ihrer Sicht weitere Bundesländer mit ähnlichen Holzvermarktungsstrukturen wie Baden-Württemberg, die Anlass zur Beanstandung geben? Erwarten Sie von dem Verfahren in Baden-Württemberg eine Signalwirkung auf diese? Bereiten Sie eventuell schon Verfahren in anderen Bundesländern vor?

Mundt: Momentan befassen wir uns mit Baden-Württemberg. Aber wir werden uns unter Umständen auch weitere Bundesländer ansehen, darunter Nordrhein-Westfalen. Ich warne allerdings davor, dass man Baden-Württemberg als Blaupause für andere Bundesländer nimmt. So einfach ist das in der Regel nicht. Jeder Fall ist anders. Die Marktstrukturen sind in jedem Bundesland unterschiedlich, und auch die Holzvermarktung ist je nach Bundesland anders organisiert. Eigentlich wissen die Länder bereits, wo sie bei der Holzvermarktung ein kartellrechtliches Problem haben und wie sie den Holzverkauf in ihrem Land am besten kartellrechtskonform ausgestalten können.

Quelle: proWALD, Ausgabe November 2014.

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