"3 Fragen..."

Markenartikel: In diesem Februar hat das Bundeskartellamt seinen 60. Geburtstag gefeiert. Wenn Sie einen Ausblick auf die kommenden Jahre wagen: Welche Herausforderungen sehen Sie auf die Wettbewerbspolitik und das Wettbewerbsrecht zukommen?

Mundt: Die Digitalisierung ist das Megathema, das auch die Wettbewerbsbehörden bewegt. Netzwerkeffekte können dazu führen, dass Unternehmen immer größer werden. Daten werden zu einer neuen Währung. Wir haben hier früh Fälle aufgegriffen, um Leitplanken einzuziehen. Wir haben uns kritisch die Online-Vertriebsbedingungen von Herstellern wie Asics oder Adidas angesehen, wir haben uns mit den Bestpreisklauseln von Amazon und von Hotelbuchungsplattformen auseinandergesetzt und wir prüfen aktuell, ob sich Facebook beim Thema Daten gegenüber den Kunden missbräuchlich verhält. Das Wettbewerbsrecht hat 2017 wichtige Anpassungen erfahren, die uns die Arbeit erleichtern. Um die Marktmacht von Unternehmen zu beurteilen, wurden Kriterien wie Netzwerkeffekte oder der Zugang zu Daten ergänzt. Und es wurde klargestellt, dass wir uns auch Märkte anschauen können, auf denen kein Geld fließt. Wir wollen den technischen Sachverstand in unserer Behörde weiter ausbauen und müssen die richtige Balance zwischen Geschwindigkeit und Gründlichkeit finden. Unsere Entscheidungen dürfen angesichts der Schnelllebigkeit vieler digitaler Märkte nicht zu spät kommen, aber sie müssen auch rechtlich und ökonomisch sauber ermittelt und begründet sein. Hier diskutieren wir über einen Instrumentenkasten, der von einstweiligen Maßnahmen über die weitere Straffung der Verfahrensführung bis hin zu erleichterten Eingriffsbefugnissen, zum Beispiel unterhalb der Marktbeherrschungsschwelle, reicht.

Markenartikel: Zunehmend ist ein Wandel in der Anwendungspraxis des Wettbewerbsrechts erkennbar – hin zu einer stärkeren Ökonomisierung und Verbraucherorientierung und weg von einem vom Ordoliberalismus geprägten Konzept. Stichwort: Wettbewerb als Verbraucherschutz. Wie geht das Bundeskartellamt damit um?

Mundt: Ordnungspolitik und Ökonomisierung sind kein Gegensatz, sondern beide Teil einer konsistenten Entwicklung. Wir haben uns in den vergangenen 60 Jahren in einem ständigen Wandel befunden. Angefangen haben wir mit der Kartellverfolgung und der Missbrauchsaufsicht, später kamen die Fusionskontrolle, Vergaberecht und der Verbraucherschutz hinzu. Die ökonomische Analyse unserer Fälle ist selbstverständlicher Alltag. Unsere ordoliberalen Wurzeln haben wir darüber aber nicht vergessen. Es gilt schon immer der Gedanke, dass effektiver Wettbewerbsschutz der beste Verbraucherschutz ist. Auch dass wir jetzt eine unmittelbare Handlungsmöglichkeit im Bereich Verbraucherrechte bekommen haben, ist eine passende Ergänzung unseres Instrumentenkastens. Wir sehen hier gerade in der digitalen Wirtschaft Probleme, bei denen der klassische zivilrechtliche Verbraucherschutz an seine Grenzen stößt. Wenn Sie Zweifel an den Ergebnissen eines Vergleichsportals haben, können Sie als Einzelner wenig machen. Wir können nun untersuchen, wie die Vergleichsportale funktionieren, wie Rankings zustande kommen, welche Provisionen fließen oder wie die Marktabdeckung der Portale ist.

Markenartikel: Das Kartellamt hat sich mit Themen wie Konzentrations- und Restrukturierungsprozessen auf Hersteller- und Händlerseite, mit dem Wandel in den Machtverhältnissen oder mit dem Preisbindungsverbot beschäftigt. Aktuell gewinnt auch, wie von Ihnen bereits angesprochen, die Digitalisierung an Relevanz mit Themen wie Doppelpreisstrategien, Plattformverboten etc. Welchen Rat würden
Sie Marken aus dem kartellrechtlichen Blickwinkel in Anbetracht der mannigfaltigen Themen für die Zukunft mitgeben?

Mundt: Die Digitalisierung der Wirtschaft wirft neu kartellrechtliche Fragen auf. Mit unseren Verfahren versuchen wir, diese zu klären. Etwa mit dem bereits angesprochen Asics-Fall, bei dem es um das generelle Verbot von Preissuchmaschinen, die Verwendung von Markenzeichen und Plattformverbote zu Lasten der Händler ging. Oder mit dem Lego-Fall, in dem wir ebenfalls auf faire Rabattsysteme für alle Händler gedrungen haben, auch für diejenigen, die ihre Waren sowohl im stationären Vertrieb als auch über den Online-Handel verkaufen. Natürlich kann ein Hersteller auch in Zeiten der Digitalisierung auf einen qualitativ hochwertigen Vertrieb setzen. Auch für den Online-Vertrieb sind echte Qualitätskriterien immer möglich. Aus kartellrechtlicher Sicht ist dabei jedoch ein stimmiges und diskriminierungsfreies Gesamtkonzept entscheidend. Die hohe Transparenz im Internethandel verleitet einige Hersteller auch dazu, Druck auf Händler bei der Preissetzung auszuüben. Hier haben wir mit Bußgeldern etwa gegen Matratzen- und Möbelhersteller oder in der Textilbranche Zeichen gesetzt. Es gibt immer wieder neue Fallkonstellationen. Unternehmen können sich daher gerne bei grundsätzlichen Fragen, zu denen es noch keine Fallpraxis gibt, an uns wenden. Wir haben uns in jüngster Zeit mit vielen Fragen aus verschiedensten Branchen beschäftigt. Die Bandbreite reicht da vom Aufbau einer digitalen Handelsplattform für Stahlprodukte bis hin zu Kooperationen von Finanzinstituten bei Handy-zu-Handy-Überweisungen.

Das Interview führte Vanessa Göbel.

Quelle: Markenartikel 5/2018. Mit freundlicher Genehmigung von www.markenartikel-magazin.de

PDF-Datei des Interviews:

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