"Gegen Facebook können wir vorgehen"

Rheinische Post: Das Kartellamt verhängte 2017 Bußgelder von 60 Millionen Euro – weniger als 2016. Werden Sie zahm ?

Andreas Mundt (Mundt): Nein, wir hatten in 2017 nicht weniger Durchsuchungen als in den Vorjahren. Wir haben auch wieder zahlreiche neue Hinweise auf Kartelle erhalten. Allerdings hat es uns eine Gesetzeslücke in den vergangenen beiden Jahren schwer gemacht, unsere Verfahren voranzutreiben.

Rheinische Post: Das bedeutet?

Mundt: Unternehmen konnten sich einem Bußgeld entziehen, indem sie sich einfach umstrukturierten. Und gerade weil wir von dieser Ausweichmöglichkeit wussten, haben wir manche Verfahren zunächst zurückgestellt. Mitte des Jahres ist das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen endlich in diesem Punkt geändert worden. Nun haften Konzerne als Ganzes für ein Kartellvergehen. Damit war die Wurstlücke geschlossen, wie die Öffentlichkeit das Problem in Anlehnung an das Tönnies-Verfahren ja genannt hatte. 

Rheinische Post: Was ist Ihre wichtigste Herausforderung?

Mundt: Aktuell ist die wichtigste Aufgabe sicherlich, auch in der digitalen Welt für wirklichen Wettbewerb zu sorgen. Unsere vorläufige Einschätzung zu Facebook kurz vor Weihnachten zeigt, wohin die Richtung geht: Wir haben dem Unternehmen mitgeteilt, dass wir es für marktbeherrschend halten. Und wir kritisieren die Art und Weise, wie das Unternehmen persönliche Daten sammelt und verwertet als möglichen Missbrauch von Marktmacht. Die Nutzer müssen hinnehmen, dass Daten auch aus Drittquellen massenhaft gesammelt werden, obwohl sie davon wenig, meistens sogar gar nichts wissen.

Rheinische Post: Kann man einem kostenlosen Dienst überhaupt ins Geschäft reinreden? 

Mundt: Der ist ja nicht wirklich kostenlos, die Kunden zahlen faktisch mit ihren Daten. Auf der einen Seite steht mit dem sozialen Netzwerk eine vermeintlich kostenlose Dienstleistung, auf der anderen Seite stehen attraktive Werbeplätze, deren Wert gerade deshalb so hoch ist, weil Facebook über riesige Mengen personalisierter Daten verfügt. Dabei muss sich Facebook an die Regeln und Gesetze halten. Das Kartellrecht verbietet es, dass ein Unternehmen seine Marktmacht missbräuchlich ausnutzt.

Rheinische Post: Was geschieht jetzt?

Mundt: Nun werden wir sehen, wie Facebook auf unsere Kritik reagiert. Dann entscheiden wir, was zu tun ist. Vielleicht schlägt Facebook Lösungen vor und verpflichtet sich zu einer anderen Praxis. Oder vielleicht müssen wir am Ende das Sammeln und Verwerten von Daten aus Drittquellen ohne ausdrückliche Zustimmung der Nutzer hierfür verbieten.

Rheinische Post: Facebook kann das als aus den US-Konzern doch egal sein.

Mundt: Abgesehen davon, dass Facebook auch eine deutsche Tochter hat, gilt im Kartellrecht das sogenannte Auswirkungsprinzip. Gegen einen Verstoß können wir wirksam vorgehen, soweit er sich in der Bundesrepublik auswirkt. Wir führen regelmäßig auch Verfahren gegen ausländische Unternehmen.

Rheinische Post: Was halten Sie davon, dass Unternehmen wie Amazon immer häufiger personalisierte Preise bieten?

Mundt: Wir beobachten die Entwicklung genau. Das Konzept von individualisierten Preisen für jeden Einzelnen widerspricht einem funktionierenden Markt, wie wir ihn kennen. Bisher orientieren Unternehmen ihre Preise an der Zahlungsbereitschaft aller Kunden oder der von bestimmten Kundengruppen. Das Prinzip von Angebot und Nachfrage gerät durcheinander, wenn sich die Preise künftig an der unterschiedlichen Zahlungsbereitschaft und Zahlungsfähigkeit Einzelner orientieren.

Rheinische Post: Und was halten Sie von Best-Preis-Garantien im Internet?

Mundt:  Auch die können gegen Wettbewerbsrecht verstoßen. In unseren Fällen geht es um Vereinbarungen einer Plattform mit Händlern, die über die Plattform Produkte oder Dienstleistungen anbieten. Wir haben zum Beispiel Amazon davon abgebracht, die Online-Händler auf dem Amazon-Marketplace dazu zu verpflichten, stets bei Amazon den jeweils günstigsten Preis anbieten zu müssen. Der Händler konnte auf einer anderen Plattform dann keinen niedrigeren Preis als bei Amazon setzen. Das ist eine Best-Preis-Klausel, die dem Verbraucher schadet. Die Händler zahlen ja auch eine hohe Provision an Amazon, die eingepreist wird. Das heißt, auf anderen Plattformen hätte es viel preiswerter sein können. Ein ähnlich gelagertes Problem haben wir bei Buchungsplattformen wie HRS oder booking.com adressiert.

Rheinische Post: Im Internet werden die Preise zunehmend von Algorithmen bestimmt. Sehen Sie darin ein Problem?

Mundt: Ob die Preissetzung unmittelbar von Menschenhand oder mittelbar, berechnet durch eine Software, erfolgt, ist zunächst einmal egal. Für beides ist das dahinterstehende Unternehmen verantwortlich. Bewusste Preisabsprachen sind selbstverständlich auch unter Einsatz von IT verboten. Ein Problem könnte aber darin liegen, wenn Wettbewerber ihren jeweiligen Verkaufssystemen einprogrammieren, immer genauso teuer zu sein wie die Konkurrenz. Wozu führt dies? Das ist nur ein Beispiel für eine neue Frage mit der wir uns in Zukunft befassen müssen.

Rheinische Post: Zu einem anderen Thema. Wundert es Sie, dass die EU Bayers Übernahme von Monsanto so lange prüft?

Mundt:  Nein, es war damit zu rechnen, dass sich die EU dieses Vorhaben sehr genau anschaut. Ich halte das auch für richtig. Immerhin handelt es um zwei große Unternehmen auf einen sehr komplexen Markt, in dem es um sehr viele verschiedene Pflanzenschutzmittel und Saatgut-Angebote geht. Die Marktabgrenzung bei diesen Geschäften ist sehr schwierig. Da ist Sorgfalt wichtiger als Tempo.

Rheinische Post: Könnte sich die EU noch leisten, den schon 2016 angekündigten Deal zu verbieten? 

Mundt: Natürlich bleibt die Kommission in ihrer Entscheidung frei. Sie prüft das Fusionsvorhaben nach den geltenden Regeln und Fristen. Die Anmeldung des Vorhabens ist ja erst lange nach der öffentlichen Ankündigung erfolgt. Vorher konnte die Kommission noch gar nicht prüfen.

Das Interview führte Reinhard Kowalewsky.

Quelle: www.rp-online.de vom 01.01.2018

PDF-Datei des Interviews:

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