"Kartellamt will Fahrer billig tanken lassen"

Mit Handy, App und Navi: Wettbewerbshüter Andreas Mundt fordert mehr Transparenz auf dem deutschen Tankstellenmarkt

Kartellamtspräsident Andreas Mundt achtet beim Tanken auch privat auf den Preis. Damit Preisvergleiche für die Autofahrer leichter werden, soll nun ein Gesetz helfen. Über mehr Transparenz dürften sich viele Verbraucher freuen: Kurz vor dem Pfingstwochenende erhöhten die Mineralölkonzerne die Spritpreise wieder.

Die Welt: Bevor wir allzu fachlich werden: Was verbraucht denn das Auto des Herrn Mundt?

Mundt: Ich fahre einen kleinen Citroën mit einem schönen großen Faltdach. Meine Frau einen Mercedes Diesel. Beide Autos verbrauchen nicht viel. Ich achte auf die Benzinpreise (Link: http://www.welt.de/themen/benzinpreise/) - als Autofahrer, aber auch aus einem professionellen Blickwinkel. Der Tankstellenmarkt funktioniert nicht nach Maßstäben des Wettbewerbs, und das versuchen wir im Kartellamt zu reparieren.

Die Welt: Was treibt Sie eigentlich an, gegen die Ölkonzerne vorzugehen?

Mundt: Die Preise an der Tankstelle beurteilen wir als Konsequenz unserer Sektoruntersuchung, nicht als Wettbewerbspreise. Wir können zwar keine Absprachen nachweisen, aber die sind auch gar nicht nötig. Wir haben es mit einem Oligopol der fünf großen Mineralölkonzerne zu tun. Das Verhalten der großen Anbieter ist auffallend gleich ausgerichtet. Und die Dimensionen sind beachtlich: Wenn die Benzinpreise nur um 1,5 Cent im Jahr niedriger wären, würde das der deutschen Volkswirtschaft rund eine Milliarde Euro ersparen. Ich glaube, dass hier einiges zu verbessern ist.

Die Welt: Dabei haben wir doch laut Statistik fast die niedrigsten Benzinpreise in Europa - ohne Steuern.

Mundt: Wer sagt denn, dass die Preise bei uns nicht noch niedriger sein könnten? Deutschland (Link: http://www.welt.de/themen/deutschland-reisen/) hat die effektivsten und größten Tankstellen in Europa. Nehmen Sie nur einmal die Standardbehauptung der Ölbranche, je Liter verkauftem Benzin mache sie nur einen Cent Gewinn: Das hat noch niemand wirklich nachgewiesen. Sobald ein Anbieter seinen Preis um, sagen wir, neun Cent erhöht - was ja in der letzten Zeit immer einmal wieder vorkommt - ist das dann auch nur dieser eine Cent, der in der Kasse hängen bleibt? Ich nehme den Unternehmen diese Rechnungen nicht ab.

Die Welt: Um für mehr Wettbewerb im Tankstellenmarkt zu sorgen, soll nun ein Markttransparenzstellengesetz her. Ehrlich gesagt, was darin steht, klingt jedoch eher nach einem Papiertiger.

Mundt: Das Bundeswirtschaftsministerium hat einen Gesetzentwurf vorgelegt, der Erleichterungen für ganz bestimmte Verfahren bringen soll. Nämlich dann, wenn das Kartellamt dem Verdacht nachgeht, dass die freien Tankstellen von den großen Mineralölunternehmen zu überhöhten Preisen mit Benzin beliefert worden sind. Aber im Gesetzgebungsverfahren wird der Entwurf ja vielleicht noch Änderungen erfahren.

Die Welt: Macht das Kartellamt jetzt einen Rückzieher? Sie wollten doch immer ein Gesetz für mehr Transparenz im Benzinmarkt haben.

Mundt: Natürlich wollen wir mehr Transparenz. Aber so, wie das Gesetz jetzt formuliert ist, würden wir diese Transparenz nur für das Bundeskartellamt herstellen.

Die Welt: Was wollen Sie denn für die Autofahrer herausholen, und wie soll das in einem Gesetz geregelt werden? Ganz konkret, bitte.

Mundt: Mit einer entsprechenden Regelung könnte man jedenfalls erreichen, dass der Autofahrer auf dem Navigationsgerät, dem Handy oder auch dem Computer angezeigt bekommt, welche Tankstellen die besten Preise haben: wo in seiner näheren Umgebung die fünf günstigsten Stationen sind. Und das immer aktuell und verlässlich. Und wenn er an der Tankstelle ankommt, soll der recherchierte Preis auch tatsächlich noch gelten. Das wäre Transparenz, wie ich sie mir vorstelle. Wir sollten deshalb einen Schritt weiter gehen und die Preisinformationen auch der Öffentlichkeit in sinnvoller Form zur Verfügung stellen.

Die Welt: Klingt gut, aber wie wollen Sie das erreichen?

Mundt: Dafür müssten wir das Transparenzstellengesetz entsprechend gestalten: Tankstellenunternehmen müssen ihre Preise aktuell an eine Datenbank melden. Autofahrer müssen diese Daten jederzeit abrufen können: Apps (Link: http://www.welt.de/themen/apps/) für das Navi oder das Handy wären der beste Weg dafür. Für alle Anbieter muss es eine Pflicht sein, mitzumachen. Und um zu verhindern, dass womöglich Wettbewerber die Daten als Instrument nutzen und die Konkurrenz beobachten, könnte man wie in Österreich (Link: http://www.welt.de/themen/oesterreich-reisen/) jeweils nur die fünf günstigsten Tankstellen anzeigen.

Die Welt: Dann wollen Sie den deutschen Tankstellenmarkt nach österreichischem Vorbild staatlich regulieren?

Mundt: Wir wollen nicht nach österreichischem Vorbild regulieren, sondern allenfalls ein Element der österreichischen Regelung aufnehmen. Staatliche Eingriffe in die Preissetzung sind ein großer Schritt - das muss man sich schon sehr genau überlegen. Das Österreich-Modell ist nicht ohne weiteres auf Deutschland übertragbar und würde hier auch nicht unbedingt für günstige Preise am Markt sorgen. In Österreich dürfen die Benzinpreise innerhalb von 24 Stunden nur einmal und zu einem festgelegten Zeitpunkt angehoben werden. Ob das wirklich etwas für das Preisniveau bringt, ist sehr fraglich. Einzelne Elemente dieser Regeln könnten aber sehr wohl in Deutschland hilfreich sein. Das gilt genauso für die Preisregeln in Westaustralien.

Die Welt: Was für eine Mischung aus Österreich und Australien (Link: http://www.welt.de/themen/australien-reisen/) schwebt Ihnen denn vor?

Mundt: Der Benzinpreis muss wieder eine Orientierung für den Verbraucher bieten können. Heute weiß doch kaum ein Autofahrer, wo der Kraftstoff gerade günstig und wo er teuer ist. Die Schwankungen sind viel zu häufig und zu groß. Ein Preisvergleich ist nicht mehr möglich. Und dann verliert der Preis seine Lenkungsfunktion. Wir brauchen Benzinpreise, die in Echtzeit abrufbar sind und die auch eine verlässliche Zeit lang gelten.

Die Welt: Ich verstehe nicht, wie das gelingen soll.

Mundt: Dafür müssten wir den Entwurf des Transparenzstellengesetzes ändern: Neben der Meldepflicht der Benzinpreise benötigen wir die Weitergabe an die Kunden - und zwar unmittelbar. Die Preise müssen am besten in Echtzeit auf die Bildschirme gebracht werden. Das wäre für mich ein erster Schritt, den wir jetzt verwirklichen sollten. Falls wir dann feststellen, dass die Preise so schnell schwanken, dass eine solche Datenbank nicht verlässlich ist, muss man vielleicht in einem zweiten Schritt darüber nachdenken, ob die Preise für eine gewisse Zeit nicht verändert werden dürfen. Schließlich soll der Autofahrer den recherchierten Preis auch tatsächlich vorfinden. Verlässlichkeit der angezeigten Preise wird das Kriterium dafür sein, ob wir mehr oder weniger Regulierung am Benzinmarkt brauchen.

Die Welt: Das klingt so, als hätten Sie lieber ein ganz anderes Transparenzstellengesetz als den jetzigen Entwurf.

Mundt: So wie es jetzt vorliegt, wird der Aufwand der Datenerhebung nicht in einem angemessenen Verhältnis zum Ergebnis stehen. Wir können hier die Bedenken aus der Branche ein Stück weit nachvollziehen.

Die Welt: Das ist ja eine ungewöhnliche Allianz.

Mundt: Der Gesetzentwurf sieht nicht nur vor, dass die Tankstellenkonzerne ihre Preise an den Stationen offen legen. Auch die Verkaufspreise an den Raffinerien müssen gemeldet werden. Und die Stationen wiederum sollen mitteilen, welche Mengen Benzin sie zu welchen Preisen und bei wem einkaufen. Das alles ist ein erheblicher Aufwand, der kaum zu rechtfertigen ist.

Das Gespräch führte Birger Nicolai.

Quelle: Die Welt am 26.05.2012.

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