"Die Macht der großen Stromkonzerne nimmt zu"

Der Präsident des Bundeskartellamts über die Folgen der Energiewende für den Wettbewerb und die Strompreise.

WirtschaftsWoche: Durch die Energiewende soll die Stromgewinnung dezentraler werden. Bringt das mehr Wettbewerb?

Mundt: Da ist schon etwas dran. Mittel- bis langfristig entsteht Spielraum für neue Akteure, die bisher keine Chance hatten. Denn trotz aller Bemühungen in der Vergangenheit, den Markt zu liberalisieren: Der Status quo ist ein Markt, der von vier großen Konzernen beherrscht wird.

WirtschaftsWoche: Das Oligopol wird durch die Umstellung auf erneuerbare Energien aufgebrochen?

Mundt: Zumindest könnte sich eine aufgelockerte Landschaft ergeben. Zunächst werden die jetzigen Marktführer aber die mit Abstand mächtigsten Konzerne bleiben. Der Kuchen der erneuerbaren Energien muss erst noch verteilt werden. Bei großen Projekten wie ausgedehnten Offshore-Parks haben die etablierten Anbieter Startvorteile. Aber hier bieten sich auch Chancen für neue Wettbewerber.

WirtschaftsWoche: Woher sollen die neuen Wettbewerber kommen? Manche hoffen ja auf eine Renaissance der Stadtwerke.

Mundt: Aus ordnungspolitischer Sicht ist ein wirtschaftliches Engagement der öffentlichen Hand immer zu hinterfragen. Im Bereich des Netzbetriebs sehen wir den aktuellen Trend zur Rekommunalisierung auch sehr kritisch. Im Bereich der Stromproduktion kann man aber durchaus darauf hoffen, dass die Stadtwerke den Wettbewerb beleben. Gerade große Stadtwerke und Verbünde können hier auch in der Stromerzeugung echte Konkurrenz leisten. Aber auch andere Player wie alternative Erzeuger oder ausländische Unternehmen können hier einspringen.

WirtschaftsWoche: Zunächst geht es doch darum, die Lücken zu füllen, die der Atomausstieg reißt.

Mundt: Kurzfristig besteht deshalb auch die Gefahr, dass die Macht der großen Konzerne eher noch zunimmt. Wir brauchen jetzt plötzlich wieder alte fossile Kraftwerke, die längst abgeschaltet waren. Das kann nur über die großen vier laufen, deren Marktmacht wird daher zunächst mal gestärkt.

WirtschaftsWoche: Wird Strom deshalb teurer?

Mundt: Durch das Moratorium fallen fast schlagartig beachtliche Erzeugungskapazitäten weg. Versorgungssicherheit wird in den nächsten Monaten ein Thema bleiben. Es ist nun mal nicht wegzudiskutieren: Wenn das Angebot einer Ware sinkt und die Nachfrage stabil bleibt, dann besteht zumindest eine Tendenz zu steigenden Preisen.

WirtschaftsWoche: Da handelt es sich doch um eine selbsterfüllende Prophezeiung: Alle rechnen mit Preiserhöhungen, warum sollten die Energiekonzerne nicht schon deshalb mehr verlangen? Wie stark steigen die Preise denn?

Mundt: Wenn man auf die Strombörse schaut, dann ist der Preisanstieg schon da: Allein am Tag des Moratoriums sind die Preise für Futures um mehr als zehn Prozent gestiegen. Diese Entwicklung wird aber vor allem die Industriekunden treffen, deren Kosten viel unmittelbarer von den Börsenpreisen abhängen.

WirtschaftsWoche: Wer Strom aus erneuerbaren Quellen ins Netz einspeist, erhält eine feststehende Vergütung. Führt das nicht zwangsläufig zu einer Planwirtschaft?

Mundt: Zumindest wenn man nichts an der Fördermethodik ändert. Es kann nicht sein, dass ein stetig wachsender Teil der Stromproduktion zu festen Vergütungssätzen, ohne jeden Wettbewerb ins Netz eingespeist wird.

WirtschaftsWoche: Wie lässt sich bei den erneuerbaren Energien Wettbewerb entfesseln?

Mundt: Da gibt es Wege. Der Gesetzgeber ist ja bereits dabei, Möglichkeiten der Hersteller zur Selbstvermarktung zu stärken. Das kann aber nur ein erster Schritt sein. Statt festen Einspeisepreisen, könnte der Staat auch einen Aufschlag auf den Börsenpreis zahlen, um die erneuerbaren Energien stärker an marktwirtschaftliche Mechanismen heranzuführen.

WirtschaftsWoche: Lässt sich der Stromhandel steuern, um die Preise hochzutreiben?

Mundt: Wir konnten in unserer Sektoruntersuchung Stromgroßhandel keine nennenswerte Kapazitätszurückhaltung der Stromkonzerne ausmachen. Andererseits sind Anreize und Möglichkeiten vorhanden, Strommengen zurückzuhalten, um die Preise zu beeinflussen. Deshalb unterstützen wir die Pläne der Bundesregierung zur Einrichtung einer Markttransparenzstelle, die das verhindert.

Das Interview führte Konrad Fischer.

Quelle: Wirtschaftswoche am 18.06.2011.

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