„Uber bringt den Taximarkt in Bewegung“

RP: Herr Mundt, wenn Sie einkaufen gehen, woran denken Sie dann: an böse Kartelle oder an schöne Waren?

Mundt: Ich gebe zu, die Arbeit lässt einen oft nicht ganz los. Als wir uns mit der Milchbranche beschäftigten, habe ich die Milchpreise viel genauer registriert, während der soeben abgeschlossenen Sektoruntersuchung zum Lebensmitteleinzelhandel habe ich mir auch so manches Regal im Supermarkt unter einem anderen Blickwinkel angesehen. Deutschland gilt bei Lebensmitteln als günstig.

RP: Warum rücken Sie dann Aldi, Edeka und Co. auf die Pelle?

Mundt: Einspruch: Es ist nicht ganz richtig, dass hiesige Kunden besonders günstig einkaufen. Im europäischen Vergleich liegen wir im oberen Mittelfeld. Aktuell haben wir uns aber nicht mit den Preisen für die Endkunden befasst, sondern mit der Frage, wie es um das Verhältnis der großen Handelskonzerne zu ihren Lieferanten steht. Kleine wie große Hersteller sind auf den Absatz über die großen Supermarkt-Ketten angewiesen. Das bringt ein gewisses Ungleichgewicht in die Verhandlungen. Diese Nachfragemacht der Händler kann negative Auswirkungen haben. Es kann beispielsweise zu Qualitätseinbußen führen, wenn Lieferanten zu sehr unter Druck gesetzt werden.

RP: Bei den Benzinpreisen haben Sie die Transparenzstelle eingeführt, der ADAC meint aber, es sei nicht bewiesen, ob sie die Spritpreise senkt.

Mundt: Wir haben eine ganz neue Transparenz für die Verbraucher in den Markt gebracht. Das ist ein Erfolg. Nun kommt es auf die Nutzer an. Sie können jederzeit überall auf dem Smartphone oder im Internet nachschauen, wo sie am günstigsten tanken können. Das wussten bisher nur die Tankstellenkonzerne selbst. Und da laut Umfragen bis zu 40 Prozent der Autofahrer Benzinpreise abfragen, scheint das Angebot ja gut anzukommen.

RP: Schauen Sie per App nach dem Spritpreis?

Mundt (zeigt auf seinem Smartphone das Display): Klar – schauen Sie, bei dieser Tankstelle hier in der Nähe ist es im Moment am günstigsten. Sowohl für den Dienstwagen wie privat versuche ich die Spritkosten zu begrenzen.

RP: Was halten Sie vom Taxi-Wettbewerber Uber, der private Chauffeure per App vermittelt?

Mundt: Uber hat Bewegung in den Markt gebracht. Mehr Wettbewerb kann dem Taxigeschäft nicht schaden. Uber profitiert allerdings auch davon, dass es den strengen Regularien für das traditionelle Taxiwesen nicht ausgesetzt ist. Diese Schieflage ist kein Zukunftsmodell, das sind unterschiedliche Wettbewerbsbedingungen. Der Impuls, der von Uber ausgeht, sollte aber genutzt werden, um eine liberalere Ausgestaltung der bisherigen Regulierung zu diskutieren und sich auf diesem Wege einander anzunähern.

RP: Sollte man die Prüfung der Ortskenntnisse bei Taxifahrern abschaffen, weil es ja mittlerweile Navigationssysteme gibt?

Mundt: Navigationssysteme sind ein gutes Beispiel dafür, dass auch technische Weiterentwicklungen Deregulierungen nahe legen können. Gleichzeitig sollte natürlich schon eine Grundorientierung und gewisse Ortskenntnisse vorhanden sein. Sonst merkt der Fahrer auch nicht, wenn ihn das Navi auf Umwege beispielsweise über Autobahnen leitet.

RP: Die Stromkonzerne fordern, für den Betrieb von Reservekraftwerken gesonderte Zahlungen zu erhalten, um den schwankenden Stromnachschub aus Wind- und Solarkraft auszugleichen. Was halten Sie von solchen Kapazitätsmärkten?

Mundt: Aktuell haben wir Überkapazitäten, also brauchen wir kein umfassendes Förderprogramm für alle Kraftwerke in Form eines Kapazitätsmarktes. Wenn die Unternehmen beklagen, dass viele konventionelle Kraftwerke im Moment keine ausreichenden Erlöse erzielen, ist das eine natürliche Folge dieser Überkapazitäten. Eine andere Frage ist, was geschieht, wenn 2022 die letzten Kernkraftwerke vom Netz gehen. Wir plädieren dafür, so wenig wie möglich in den Wettbewerb auf dem Strommarkt einzugreifen. Werden die Überkapazitäten abgebaut, kann es wieder zu steigenden Preisen und Investitionsanreizen kommen. Die Notwendigkeit eines Kapazitätsmarktes ist daher alles andere als ausgemacht.

RP: Die Sorge vor einem Black-Out, also einem Ausfall der Stromversorgung, haben Sie nicht?

Mundt: Natürlich muss die Sicherheit der Stromversorgung im Zentrum stehen. Derzeit ist aber alles andere als klar, dass großflächige Stromausfälle drohen. Daher stellt sich schon die Frage, ob wir in Zukunft eine umfassende finanzielle Unterstützung konventioneller Kraftwerke brauchen. Jede einmal eingeführte Subvention ist extrem schwer wieder abzuschaffen. Außerdem gibt es eine europäische Komponente.

RP: Was bedeutet das?

Mundt: Das gemeinsame Ziel eines Energie-Binnenmarktes wird durch die Einführung eines nationalen Kapazitätsmarktes ganz erheblich gestört. Also sollten wir mit dem Thema vorsichtig umgehen. Derzeit ist nicht abzusehen, dass wir ein völlig neues Design des Strommarktes brauchen. Wenn die Versorgungssicherheit zusätzlich abgesichert werden muss, kann dies dadurch geschehen, dass die Übertragungsnetzbetreiber eine begrenzte Zahl von Reservekraftwerken unter Vertrag nehmen und bereithalten. Der Telefonkonzern Vodafone würde gerne zusätzlich zu Kabel-Deutschland Unitymedia als Kabel-TV-Firma kaufen.

RP: Dann könnten die Düsseldorfer bundesweit und auch in NRW sehr schnelles Internet anbieten und auch die Telekom wäre gezwungen, ihre DSL-Netze schneller auszubauen.

Mundt: Uns liegt kein Übernahmeangebot für Unitymedia zur Prüfung vor - also ist das eine rein theoretische Diskussion. Ich kann nur sagen, dass alle Kartellbehörden Europas bei Fusionen im Kabel-Sektor vorsichtig sind. Denn falls dann später der Wettbewerb mit nur noch sehr wenigen Anbietern für schnelles Internet an Intensität verlieren würde, könnten wir die Uhr nicht einfach zurück drehen und nachträglich eine Entflechtung anordnen. Das sieht unser Wettbewerbsrecht nicht vor.

RP: Ihre Behörde hält wenig von der Fusion der beiden Mobilfunker E- Plus und O2, die die EU für Ende September erlaubt hat. Drohen nun höhere Preise?

Mundt: Wir werden ein sehr interessantes Feldexperiment in Deutschland erleben. Werden die Tarife so wie in Österreich hochgehen, nachdem dort ein Mobilfunker vom anderen gekauft wurde? Und wird das neue Gemeinschaftsunternehmen von Telefonica und E-Plus wirklich stark in den Netzausbau investieren? Tatsache ist jedenfalls, dass wir nur noch drei Mobilfunker statt vier haben und dass E-Plus bisher den Markt in Bewegung brachte. In diesem Zusammenhang ist auch interessant, dass die US-Regulierungsbehörden standhaft verhindern, dass dort aus vier landesweiten Mobilfunkern nur noch drei werden.

RP: Beim Kampf gegen Kartelle verhängen sie immer häufiger Bußgelder. Wie hoch wird die Summe dieses Jahr sein, warum ist es soviel?

Mundt: Wir werden in diesem Jahr insgesamt mehr als eine Milliarde Euro an Bußgeldern verhängen. Eine Reihe wichtiger, großer Verfahren wie Zucker, das Bierkartell oder die Absprachen der Wursthersteller haben wir abgeschlossen. Diese Gesamthöhe in 2014 wird eher eine Ausnahme bleiben aber tendenziell decken wir heute mehr Kartelle auf als früher. Das ist auf eine ganze Reihe von Faktoren zurückzuführen. Wir haben uns über die vergangenen Jahre in diesem Bereich besser aufgestellt, die Gesetze wurden angepasst und eine wichtige Rolle spielt die Kronzeugenregelung, die erst seit rund zehn Jahren richtig greift.

RP: Was heisst das?

Mundt: Fast jedes zweite Verfahren wird durch die Hinweise eines Kronzeugen ausgelöst. Also von einem Unternehmen, das selbst am Kartell beteiligt war, nun aber aussteigt und die Karten auf den Tisch legt. Der Kronzeuge kann durch diese Kooperation mit den Behörden straffrei aus der Sache rauskommen.

RP: Das Kartellamt wird häufig kritisiert, weil es Konzerne wie Adidas oder Nike zu einer stärkeren Öffnung hin zum Online-Vertrieb zwingt. Das würde am Ende die Fachhändler als deren Partner schwächen.

Mundt: Diese Kritik hört man meines Erachtens nicht oft, sondern vielmehr aus interessierten und recht lautstarken Kreisen. Das Gegenteil ist aber richtig. Die betroffenen Konzerne verkaufen sowieso über das Internet mit eigenen Shops oder auch mit sehr großen Handelspartnern. Aber wir setzen nun durch, dass auch kleine Firmen und Einzelhändler Waren beim Internet-Verkauf über Online-Marktplätze wie Ebay oder Amazon Marketplace oder über Preissuchmaschinen anbieten können. Wenn ihnen der Hersteller diese Möglichkeit nimmt, kann nämlich kein Kunde diese kleinen Shops finden. Wir helfen also kleinen Händlern statt ihnen zu schaden.

RP: Je mehr Firmen dann bestimmte Waren im Internet anbieten, umso mehr kann das Preisniveau sinken- und dann sinkt die Marge des Fachhandels.

Mundt: Wie gesagt: Wir helfen diesen kleinen Firmen, den stationären Handel mit einem Online-Shop zu verknüpfen, wenn sie dies denn wollen. Das ist eine unabhängige kaufmännische Entscheidung eines jeden Händlers. Wenn dies unterm Strich zu sinkenden Preisen führt, ist das jedenfalls kein Schaden. Wir wollen Wettbewerb. Und Lieferanten dürfen ihren Handelspartnern weder den Endpreis noch den Vertriebsweg diktieren.

RP: Sie haben zweimal Online-Videotheken faktisch gestoppt, einmal eine Gemeinschaftsfirma von ARD und ZDF ("Germany Gold") wie auch ein Joint-Venture von Pro7-Sat Eins und RTL. Führt dies nicht am Ende nur zu einer Dominanz von U S-Konzernen wie Apple, Amazon oder Netflixx bei Online-Videotheken?

Mundt: Wir haben nichts dagegen, wenn Unternehmen eine gemeinsame technische Plattform anbieten, die den Kunden Inhalte anbietet. Aber ARD und ZDF wollten die Konditionen für die Inhalte komplett abstimmen - also der "Tatort" sollte nicht teurer als ein "Derrick" sein. Unter Wettbewerbern schlicht ein Unding. Wohlgemerkt: Es ging nicht um das kostenlose Anbieten von Sendungen sondern um eine kommerzielle Zweitverwertung von gebührenfinanzierten Angeboten.

RP: Und bei ProSieben Sat Eins und RTL?

Mundt: Die beiden Unternehmen kontrollieren mehr als 80 Prozent des TV-Werbemarktes in Deutschland. Das hätte einem gemeinsamen Videoportal einen zu großen Vorteil verschafft. Die große Marktmacht von Google wird zunehmend diskutiert.

RP: Sollte der Konzern zerschlagen werden, sollte zwangsweise veröffentlicht werden, wie Google Suchmaschine seine Ergebnisse auswirft (Algorithmus)?

Mundt: Das geltende Recht erlaubt keine Zerschlagung. Man muss auch berücksichtigen, dass es Innovationen mit sich bringt, wenn Google zusätzlich zur Suchmaschine eine Reihe anderer Dienste aufbaut. Auch eine zwangsweise Öffnung des Algorithmus von Google kann man sich nur sehr schwer vorstellen. Das ist die DNA des Unternehmens, die fast jeden Tag geändert wird, um vor externen Manipulationen geschützt zu sein.

RP: Es wäre also indirekt eine Art Enteignung, den Algorithmus zu veröffentlichen. Also soll Google weiter schalten und walten können wie sie wollen?

Mundt: Fragen des Wettbewerbsschutzes betreffen nur einen kleinen Teil der Debatte. Viel bedeutsamer sind unter anderem Aspekte des Datenschutzes, die jeden Nutzer massiv betreffen. Kartellrechtlich halten wir den Verfahrensansatz der EU-Kommission für richtig. Google muss dazu gebracht werden, bei den Suchergebnissen Angebote von Wettbewerbern fair zu berücksichtigen. Dass Wettbewerbsbehörden es mit so großen Internetfirmen aufnehmen können, sehen Sie schon am Verfahren der Kommission gegen Microsoft, das von der EU mit hohen Bußgeldern dazu gebracht wurde, andere Browser als den eigenen beim Microsoft-Betriebssystem für die Kunden wählbar zu machen. Auch wir haben erfolgreich ein Verfahren gegen Amazon geführt, um eine Gleichschaltung von Preisen über Amazon Market Place zu verhindern.

RP: Und die Marktdominanz bleibt?

Mundt: Richtig ist, dass wir in der Internetwirtschaft einen Trend hin zu sehr hoher Marktmacht haben, weil gute Ideen sehr schnell global verbreitet werden können und damit oft sogenannte "Netzwerkeffekte" einhergehen. Plattformen, die viele Nutzer haben, sind wiederum für andere Nutzer und Anbieter interessant, und mit mehr Nutzern, steigt automatisch auch die Qualität der jeweiligen Plattform, was sie wieder für neue Nutzer interessant macht und so weiter, und so weiter. Also bauen Amazon, Ebay, Facebook oder auch Google in ihren jeweiligen Bereichen fast schon Monopole auf. Andererseits können neue technische Ideen solche Fast-Monopolisten aber auch in Bedrängnis bringen.

RP: Das bedeutet?

Mundt: Nichts ist unsicherer als Prognosen über die Zukunft. So fällt beispielsweise auf, dass Facebook als scheinbar monopolistische Kommunikationsplattform gerade bei jüngeren Nutzern nur noch eines von vielen neuen Kommunikationsmitteln wie Whats App oder Instagram ist.

Das Gespräch führten Andreas Gruhn und Reinhard Kowalewsky.
Quelle: RP

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