"Nachfragemacht ist ein janusköpfiges Phänomen"

LZ: Herr Mundt, was ist bei der Sektoruntersuchung herausgekommen?

Mundt: Die Ergebnisse sind zum Teil wenig überraschend, aber sie sind nun empirisch belegt und für unsere Verfahren relevant. Edeka, Rewe, Aldi und die Schwarz-Gruppe beherrschen 85 Prozent des Absatzmarktes, aber auch der Nachfrageseite.

LZ: Und welche Erkenntnisse haben Sie überrascht?

Mundt: Überrascht hat uns zum Beispiel die von der Spitzengruppe deutlich abgesetzte Position von Edeka. Der Marktführer weist im Verhältnis zum nächsten Wettbewerber eine etwa doppelt so hohe Verkaufsfläche und eine doppelt so hohe Standortdichte auf.

LZ: Worin liegt denn der Nachteil für den Verbraucher, wenn sich vier Unternehmen einen harten Wettbewerb liefern?

Mundt: Der erste Blick greift hier zu kurz. Nachfragemacht ist ein janusköpfiges Phänomen. Einkaufsvorteile können dem Verbraucher nutzen, soweit sie auch an ihn weitergereicht werden. Das ist sicher nicht immer der Fall. Niedrige Margen bei den Herstellern können aber auch Qualitätseinbußen nachsichziehen, was nicht im Sinne der Verbraucher wäre.

LZ: Konnten Sie für diese Qualitätseinbußen Belege finden?

Mundt: Es ist sehr schwierig, die Qualitätsentwicklungen einzelner Produkte im Einzelnen empirisch überzeugend nachzuvollziehen. Deshalb knüpft das Kartellrecht ja auch daran an, solche Vermachtungen zu verhindern, die in der Folge zu signifikanten Verschlechterungen des Angebots führen können. Die Nachfragemacht bringt jedoch auch noch eine Gefahr für den Wettbewerb mit sich. Die Konditionsvorteile der großen Anbieter führen zu einem Verdrängungseffekt, der die Konzentration auf beiden Seiten wie in einer Spirale befördert.

LZ: Findet die Beschaffung des Handels nicht längst auf europäischen und globalen Märkten statt?

Mundt: Unsere Untersuchung zeigt sehr deutlich, dass der Einkauf ganz überwiegend in Deutschland stattfindet. Bei Schaumwein haben wir Quoten von 92 Prozent, bei Konfitüre von 97 Prozent und bei Milch von 99 Prozent ermittelt. Das zieht sich durch die Produktgruppen.

LZ: Marktmacht auf Seiten der Hersteller sehen Sie nicht, auch wenn die Untersuchung ergab, dass jeweils höchstens vier Unternehmen in den untersuchten Märkten den wesentlichen Teil des Angebots auf sich vereinen?

Mundt: Das ist zwar richtig, aber nur sehr wenige Hersteller haben sogenannte "must-haves" im Angebot, die die Verhandlungsposition nachhaltig stärken. Für die große Mehrheit der Hersteller gilt dies nicht. Oft haben gerade Hersteller mit hohen Umsätzen im LEH kaum Ausweichmöglichkeiten und sind auf den Absatz über die großen Handelskonzerne angewiesen.

Quelle: Lebensmittelzeitung vom 26.9.2014

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