"Alte Gespenster in der Medienpolitik"

FAZ: Herr Mundt das Kartellamt schaut sehr kritisch auf die geplanten Gemeinschaftsunternehmen von Springer und Funke. Gleichzeitig drängt die große Koalition auf wettbewerbsrechtliche Erleichterungen für die Zusammenarbeit von Verlagen Gibt es einen Zusammenhang?

Mundt: Ich glaube nicht dass die Koalitionäre hier ein bestimmtes Vorhaben vor Augen hatten. Die tatsächlichen Motive sind mir aber auch noch ein Rätsel, da es aus meiner Sicht keinen Bedarf für weitere Erleichterungen der Verlagszusammenarbeit gibt.

FAZ: Na ja auch andere Verlage streben nach Kooperationen um ihre Kosten zu senken.

Mundt: Es existieren doch längst landauf landab vielfältige Kooperationsformen zum Beispiel beim Vertrieb beziehungsweise Zustellung beim Druck und auch bei der Anzeigenvermarktung sowie auch auf redaktioneller Ebene. Das Kartellrecht ist flexibel genug um dies zu ermöglichen. Wir und die Landeskartellbehörden sind grundsätzlich offen für viele Modelle, aber es sind im Einzelfall natürlich auch einmal Konstellationen denkbar die eine genauere Prüfung und gegebenenfalls Abänderung eines Kooperationsmodells nötig machen. Gesetzliche Erleichterungen würden eine solche Einzelfallbetrachtung ausschließen und deshalb übers Ziel hin ausschießen.

FAZ: Aber bei Springer und Funke haben Sie offenbar gravierende Einwände. Sonst hätten Sie ja nicht die zweite Phase in der Prüfung einleiten müssen.

Mundt: Dass wir uns dieses große Vorhaben intensiver anschauen würden ist wohl für niemanden eine Überraschung. Ein erster Teil mit Berliner Morgenpost Hamburger Abendblatt den Frauenzeitschriften und Anzeigenblattern hat sich ja nun einigermaßen unkompliziert gestaltet. Die Programmzeitschriften sind schon etwas komplizierter. Das ist aber ein ganz normaler Fusionsfall. Da ist nichts Besonderes dran.

FAZ: Und die Gemeinschaftsunternehmen?

Mundt: Auch da sind wir in der Prüfung. Was dabei herauskommt müssen wir dann mal sehen. Aber das was Springer und Funke vorhaben hat natürlich eine andere Dimension als wenn zwei Regionalzeitungen gemeinsam drucken oder ihre Blätter zusammen vertreiben. Da sprechen wir über ganz andere Sachverhalte.

FAZ: Die Koalition hofft darauf dass ein größerer Spielraum im Wettbewerbsrecht dem Zeitungssterben entgegenwirkt und hilft die Pressevielfalt zu bewahren. Ein richtiger Ansatz?

Mundt Der Gesetzgeber hat gerade erst vor einigen Monaten erhebliche Erleichterungen bei der Pressefusionskontrolle vorgenommen. Schon dieser Schritt war nicht wirklich notwendig und begünstigt unseres Erachtens etwas einseitig die großen Verlagshäuser bei ihren Konsolidierungsplänen. Noch mal: Das Kartellrecht ist hinreichend flexibel. Das sehen Sie beispielsweise auch an der Fallgruppe der Sanierungsfusion. Die Übernahme der Frankfurter Rundschau durch die F A Z haben wir nur angesichts der wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Rundschau genehmigt.

FAZ: Wo wir eben bei Springer waren: Wie steht es um die geplante Übernahme von N24?

Mundt: Wir haben diesen Fall gerade auf dem Tisch. Lassen Sie uns noch ein bisschen Zeit.

FAZ: Fernsehen und Internet wachsen zusammen die Zuschauer stellen sich ihr eigenes Programm aus dem Web zusammen. Geht das Kartellamt inzwischen zu kleinkariert an die Märkte heran wie es der Koalitionsvertrag nahelegt?

Mundt: Unsere konkreten Entscheidungen aus dem Medienbereich spiegeln eigentlich ein anderes Bild wider. Diese Kritik habe ich in den letzten Monaten immer wieder mal gehört seit wir Germany s Gold die geplante Videoplattform von ARD und ZDF, und zuvor Amazonas von RTL und Pro Sieben Sat 1 untersagt haben. Da wird dann sogar das alte Gespenst der vermeintlichen Benachteiligung deutscher Medien unternehmen hervorgeholt.

FAZ: Jedenfalls legen Sie Google oder Netflix keine Steine in den Weg.

Mundt: Wir haben grundsätzlich überhaupt nichts gegen starke deutsche Plattformen auf denen auch Video-on-demand-Produkte von Wettbewerbern zu finden sind und die sogar von diesen Wettbewerbern gemeinsam betrieben werden. Das kann für die Verbraucher eine gute Sache sein. Man hat es einfacher, muss weniger suchen, findet vieles in einem Portal. Aber: Diese Plattformen sind auch Marktplätze in einem virtuellen Raum wo der Verbraucher seine Produkte kauft. Und wir wollen auch in der virtuellen Welt keine Koordinierung von Preisen und Angeboten. Die Sender sind Wettbewerber Warum sollen sie die Preise und die Qualität ihrer Produkte miteinander absprechen dürfen, bevor sie ihre Videos über diese gemeinsamen Plattformen vertreiben? Gegen eine neutrale offene Plattform hätten wir weder bei Amazonas noch bei Germany s Gold Einwände erhoben, aber dazu waren die Unternehmen nicht bereit.

FAZ: Was waren die entscheidenden Hindernisse?

Mundt: Nehmen Sie Germany s Gold. Da war haarklein vereinbart wie hoch die Preise sein sollten. Andere Plattformen einschließlich der deutschen Plattformen wie zum Beispiel Videoload der Deutschen Telekom - sollten keinen diskriminierungsfreien Zugang zu öffentlich-rechtlichen Inhalten bekommen. Niemand sonst hätte Derrick oder den Tatort kaufen können oder nur zu hohen Preisen. Da wollten sich ARD und ZDF ihren eigenen Club mit eigenen Regeln machen und sie waren sich einig ihre Produkte nicht anderweitig zu vertreiben, wie praktisch für beide. Und bei Amazonas kamen zwei Unternehmen zusammen die im Fernsehwerbemarkt einen Anteil von 80 Prozent haben. Den hätten die auch gern auf die Video-Plattform übertragen.

FAZ: Nun ist das alles Schnee von gestern. Warum also reitet der Koalitionsvertrag zumindest indirekt darauf herum?

Mundt: Welche konkreten Vorhaben damit verbunden sein könnten kann ich Ihnen heute noch nicht sagen. Dass die alte Idee der National-Champions nun gerade in der Medienwirtschaft eine Wiedergeburt erfährt bleibt hoffentlich ohne praktische Auswirkung. Es ist ein wesentlicher Faktor für den internationalen Erfolg deutscher Unternehmen dass sie sich bereits auf den heimischen Märkten in einem funktionierenden wettbewerblichen Umfeld behaupten müssen. Mit dem Zusammenwachsen der verschiedenen Medien reden wir nicht nur bei den Video-on-demand Plattformen über Märkte die exponentiell wachsen und stark innovationsgetrieben sind. Als Wettbewerbsbehörde gilt es deshalb gerade hier die Türen offen zu halten um diese Entwicklungen nicht abzubremsen.

Das Gespräch führte Helmut Bünder.

Quelle: Frankfurter Allgemeine Zeitung am 06.02.2014.

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