"Das Bundeskartellamt, paydirekt und der Geldbote: ‚Es gibt keine Untersagung‘ – Andreas Mundt im Interview"

IT-Finanzmagazin: Herr Mundt, paydirekt kommuniziert den großen Erfolg seit seiner Markteinführung und das man bereits deutlich über 500 relevante Händler im Portfolio habe – und durchaus sehr relevant sei, zumal nahezu alle Banken mit an Bord seien. Durch welche Tatsachen begründen Sie die Formulierung „paydirekt hat bislang noch keine starke Marktposition erreichen können“?

Andreas Mundt (Mundt): Niemand will den Erfolg von paydirekt kleinreden. Aber natürlich muss man auch das wettbewerbliche Umfeld als Vergleichsmaßstab heranziehen. Wenn Sie sich aber beispielsweise die Nutzerzahlen der verschiedenen Internet-Bezahlverfahren ansehen, ist schnell zu erkennen, dass für paydirekt noch Entwicklungsmöglichkeiten bestehen, etwa im Hinblick auf den Marktführer Paypal.

IT-Finanzmagazin: Paydirekt ist das Gemeinschaftsunternehmen fast aller deutschen Kreditinstitute und will in Kürze P2P-Payment anbieten. Warum erlaubt das Bundeskartellamt diesen maximalen Ansatz, während es vor wenigen Wochen den "Geldboten", der nur von Sparkassen sowie Volks- und Raiffeisenbanken getragen werden sollte, untersagt hat?

Mundt: In der Tat sind an paydirekt sehr wichtige Unternehmen der privaten Banken, der Volks- und Raiffeisenbanken sowie aus dem Sparkassensektor beteiligt. Diese Institute stehen eigentlich im Wettbewerb zueinander, haben dieses Bezahlverfahren aber gemeinsam entwickelt. Daher haben wir uns das Vorhaben genau angesehen. Letztlich haben wir aber keine Einwände erhoben, da diese Kooperation die Wettbewerbsverhältnisse auf dem Markt für Internet-Bezahlverfahren insgesamt verbessern dürfte. paydirekt kann sein Internet-Bezahlverfahren nun um eine mobile Funktion ergänzen, die der Marktführer Paypal und viele weitere Wettbewerber schon seit geraumer Zeit anbieten.
Was den „Geldboten“ anbelangt: Es gibt keine Untersagung. Wir haben zu diesem gemeinsamen Projekt der Sparkassen und Genossenschaftsbanken Nachfragen gestellt. Bei einer institutsübergreifenden Zusammenarbeit stellen sich einfach mehr wettbewerbsrechtliche Fragen als bei den beiden einzelnen Lösungen „Kwitt“ von der Sparkassengruppe und „Geld senden und empfangen“ der Volks- und Raiffeisenbanken, bei denen wir keine Einwände hatten. Da das Vorhaben „Geldbote“ dann aber erstmal nicht weiterverfolgt wurde, haben wir keine abschließende Entscheidung getroffen.

IT-Finanzmagazin: Werden also die jungen FinTechs wie Lendstar, Cringle oder Tabbt nun durch paydirekt weniger bedroht als durch den "Geldboten"? Schätzen Sie die Bedeutung Paydirekt (auf Basis nahezu aller deutschen Kreditinstitute inklusive Sparkassen und Volks- und Raiffeisenbanken) geringer ein als die Marktposition von Sparkassen plus Volks- und Raiffeisenbanken alleine?

Mundt: Wir schauen uns die verschiedenen Kooperationen genau aus diesem Grund so genau an: Wir wollen Märkte offenhalten und FinTechs eine Chance geben. Dabei geht es allerdings nicht um den Schutz bestimmter Wettbewerber, sondern um eine Bewertung der auch langfristigen Auswirkungen einer Kooperation auf die betroffenen Märkte insgesamt. In Bezug auf paydirekt sind wir zu dem Ergebnis gekommen, dass diese Kooperation eine Verbesserung der Wettbewerbsverhältnisse auf dem Markt für Internet-Bezahlverfahren bringt. Dagegen haben wir eine abschließende Bewertung der Kooperation „Geldbote“ gerade noch nicht vorgenommen.

IT-Finanzmagazin: Sieht das Kartellamt 'P2P-Payment' als eigenständigen Markt an? Oder sehen Sie die Leistung als eine Funktion (von vielen), die ein Paymentdienst heutzutage bieten muss?

Mundt: Wir haben die Frage offengelassen, ob es einen eigenständigen Markt für derartige P2P-Transaktionen gibt oder ob es sich bei dieser Zahlungsfunktion einfach nur um eine Teilfunktion des Online-Bankings handelt. Sie war nicht entscheidungsrelvant.

IT-Finanzmagazin: Das Bundeskartellamt hat per Pressemeldung die Öffentlichkeit über ihre Entscheidung informiert und dabei ebenfalls veröffentlicht, dass paydirekt ein P2P-Payment plane. Wann müssen Anbieter damit rechnen, dass das Bundeskartellamt vertrauliche Produktinformationen veröffentlicht?

Mundt: Das war mit paydirekt so abgesprochen. Außerdem: Wenn Sie als Unternehmen von uns eine kartellrechtliche Einschätzung zu einem Projekt haben wollen, für die wir Ermittlungen am Markt durchführen müssen, dann kann es sich nicht mehr um ein Geschäftsgeheimnis handeln. Wir hatten paydirekt zudem vorab darüber informiert, dass wir eine Pressemitteilung veröffentlichen. Hiergegen gab es keine Bedenken. Es gehört zu unseren Aufgaben, die Öffentlichkeit über wichtige Entscheidungen zu informieren. Dies gilt insbesondere für Fälle, die auch für Wettbewerber oder andere Marktteilnehmer von Relevanz sein könnten. Natürlich gibt es auf der anderen Seite auch Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, die gewahrt werden müssen. Aber das wäre ein ganz anderer Fall.

Das Interview führte Joachim Jürschick.

Quelle: IT-Finanzmagazin vom 26.04.2017

PDF-Datei des Interviews:

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