"Schärfere Regelungen"

Durch das Kartellrecht sollten Internetkonzerne noch mehr Druck spüren.

Mit dem Slogan "Competition is for losers" greift der Investor und Mitbegründer von Paypal, Peter Thiel, im Jahre 2014 ein Fundament unserer Wirtschaftsordnung frontal an. Die Lobpreisung von Monopolen aus dem Mund eines der Protagonisten des Silicon Valley ließ nicht nur die Wettbewerbshüter weltweit aufhorchen. Wettbewerb als Bremse für Wohlstand und Wachstum in der neuen Welt?

Die Digitalisierung revolutioniert die Wirtschaft. Aber kann man deshalb ernsthaft darüber nachdenken, wettbewerbliche Mechanismen infrage zu stellen? Sicher nicht. Gerade in der digitalen Wirtschaft ist Wettbewerb der Schlüssel zum volkswirtschaftlichen Erfolg. Aufgabe der Wettbewerbsbehörden weltweit ist es, Märkte offen zu halten und somit Chancen für Veränderungen, für Newcomer zu bewahren. In welchem Wirtschaftsbereich könnte dieser Aufgabe größere Bedeutung zukommen als in der Internetwirtschaft?

Gleichsam stellt die digitale Revolution die Wettbewerbsbehörden auch vor enorme Herausforderungen. Etablierte ökonomische und juristische Methodik muss neu gedacht werden. Wissenschaft und Praxis brüten über neuen Fragen: Wann ist ein Eingriff gegen einen Internetkonzern gerechtfertigt? Wie schützen wir Wettbewerber und Kunden eines großen Players, ohne gleichzeitig Dynamik und Innovationskräfte zu beschädigen? Welche Bedeutung haben Daten? Wie gehen wir mit Dienstleistungen um, die nichts kosten - zumindest kein Geld? Wie bewerten wir Netzwerkeffekte, also den Sogeffekt, der dazu führt, dass Plattformen und Netzwerke ab einem bestimmten Punkt rasant weiter wachsen? Brauchen wir neue Instrumente, um die Verbraucher zu schützen?

Ab dem morgigen Mittwoch richtet das Bundeskartellamt in Berlin eine internationale Kartellkonferenz mit über 350 Vertretern aus über 50 Ländern aus. Diesem internationalen Austausch kommt eine große Bedeutung zu, denn kartellrechtliche Entscheidungen in der Internetwirtschaft sind nicht nur neu und komplex, sie sind in ihren Auswirkungen meist auch grenzüberschreitend und oft nur im Dialog mit anderen Wettbewerbsbehörden zu treffen.

Das Bundeskartellamt hat in den zurückliegenden Jahren bereits zahlreiche "Internetfälle" gelöst und frühzeitig damit begonnen, sich ein spezialisiertes Know-how aufzubauen und interne Strukturen zu optimieren.

In vielen Fällen arbeiten wir international sehr eng zusammen. So hat das Bundeskartellamt in Kooperation mit der britischen Wettbewerbsbehörde ein Verfahren gegen Amazon geführt. Wettbewerbsschädliche Preisvorgaben an die Anbieter, die auf Amazon Marketplace ihre Produkte verkaufen, wurden nach unserem Einschreiten für ganz Europa aufgegeben.

Den Hotelbuchungsplattformen HRS und Booking haben wir und andere europäische Behörden untersagt, mit sogenannten Bestpreisklauseln die Hotels daran zu hindern, ihre Zimmer an anderer Stelle günstiger anzubieten. Die Unternehmen Audible und Apple haben kürzlich eine langjährige Exklusivvereinbarung im Bereich Hörbücher aufgegeben, nachdem das Bundeskartellamt und die EU-Kommission Ermittlungen aufgenommen hatten. Weitere richtungsweisende Verfahren laufen. Die Europäische Kommission wird ihr wichtiges Google-Verfahren abschließen. Und wir wollen zügig klären, ob sich Facebook bei der Erhebung und Verwendung von Nutzerdaten gegenüber seinen Kunden missbräuchlich verhält.

Die Beispiele zeigen: Die Wettbewerbsbehörden sind nicht machtlos. Vielmehr sind gerade sie es, die in der Digitalwirtschaft Leitplanken setzen können.

Wir müssen aber noch besser und schneller werden. Wir begrüßen sehr, dass der deutsche Gesetzgeber mit der anstehenden Kartellrechts-Novelle zahlreiche offene juristische Fragen klärt, was unsere Verfahren beschleunigen wird. Deutschland ist damit eines der ersten Länder mit eigenen kartellrechtlichen Regeln für die Digitalwirtschaft. Um in dynamischen Märkten zielführende Maßnahmen zu erleichtern, sollte über weitere Instrumente nachgedacht werden, etwa bei der Möglichkeit zum Erlass einstweiliger Verfügungen, noch bevor ein Verfahren endgültig abgeschlossen ist.

Die Revolution in der Wirtschaft erfordert ein grundlegend neues Denken. Wir müssen daher auch über eine stärkere staatliche Durchsetzung von Verbraucherschutzrechten im Internet reden. Wenn wir massenhafte Rechtsverstöße von Internetkonzernen feststellen, können Entscheidungen einer Behörde schneller und effektiver wirken als private Klagen von einzelnen Betroffenen. Das Bundeskartellamt wäre hierfür eine geeignete Institution. Die GWB-Novelle gibt uns mit der Möglichkeit, über Sektoruntersuchungen mögliche Missstände aufzuspüren und zu adressieren, ein erstes, wichtiges Instrument in die Hand.

Quelle: Handelsblatt print: Nr. 052 vom 14.03.2017 Seite 011 / Recht und Steuern.

PDF-Datei des Interviews:

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