"Wir müssen schneller werden"

Handelsblatt: Herr Mundt, sind Sie noch Mitglied bei Facebook? 

Andreas Mundt: Ja, aber ich bin wahrscheinlich einer der inaktivsten Nutzer. 

Handelsblatt: Haben Sie sich die Nutzungsbedingungen durchgelesen, bevor sie ihre Daten rausgegeben haben? Sie haben Facebook ja im Verdacht, seine Marktmacht zu nutzen, um Datenschutzregeln zu missachten.

Andreas Mundt: Darum wird es in dem Verfahren unter anderem gerade gehen. Sind die Nutzungsbedingungen so transparent und verständlich gestaltet, dass sie den deutschen Datenschutzbestimmungen entsprechen?

Handelsblatt: Welche Bedeutung hat das Verfahren gegen Facebook?

Andreas Mundt: Es ist eines der wichtigsten Verfahren, die eine europäische Wettbewerbsbehörde zurzeit führt. Ich sehe da eine Arbeitsteilung mit der EU. Die EU-Kommission befasst sich mit Google, wir haben ein Verfahren gegen Facebook eingeleitet.

Handelsblatt: Hätte die EU so ein Verfahren, wie Sie es jetzt führen, auch anstrengen können?

Andreas Mundt: Ja, soweit solche Verfahren grenzüberschreitende Wirkung haben und das europäische Missbrauchsverbot anwendbar ist. Was wir jetzt untersuchen, bezieht sich aber zunächst einmal vor allem auf das nationale Recht. Wir schauen in die deutschen Datenschutzbestimmungen und prüfen, ob Facebook diese einhält. Die Wirkung solcher Verfahren kann natürlich über Deutschland hinausgehen.

Handelsblatt: Womit muss Facebook rechnen, wenn Sie feststellen, dass das Unternehmen seine marktbeherrschende Stellung missbraucht, um Datenschutzregeln zu missachten?

Andreas Mundt: Wir sprechen hier über ein laufendes Verfahren, dessen Ausgang vollkommen offen ist. Wir führen ein Verwaltungsverfahren. Bei derartig komplexen Verfahren halte ich es nicht für sachgerecht mit einem Bußgeld zu drohen. Sollte in einem solchen Verwaltungsverfahren ein Missbrauch von Marktmacht vorliegen, gibt es ganz allgemein zwei Möglichkeiten: Entweder das Unternehmen ist kooperativ, dann vereinbaren wir, wie es in Zukunft gegenüber seinen Kunden oder Nutzern auftreten muss. Oder wir erlassen eine Verfügung, mit der wir das gegenwärtige Verhalten untersagen.

Handelsblatt: Wie lange dauern Verfahren wegen Marktmachtmissbrauch in der Regel?

Andreas Mundt: Das ist sehr unterschiedlich, kann aber durchaus zwei bis drei Jahre dauern. Am Ende müssen Sie mit einem Fall vielleicht bis vor den Bundesgerichtshof.

Handelsblatt: Gerade in der sich schnell entwickelnden digitalen Welt ist das eine halbe Ewigkeit. In dieser Zeit zementiert ein Unternehmen, das seine Marktmacht missbraucht, seine Stellung weiter. 

Andreas Mundt: Da haben Sie Recht. Wir müssen noch schneller werden. Dabei können vielleicht auch gesetzliche Änderungen helfen.

Handelsblatt: In diesem Jahr steht die Novelle des Kartellrechts an – was muss aus Ihrer Sicht geändert werden?

Andreas Mundt: In punkto digitale Wirtschaft sind das im Wesentlichen drei Aspekte: Wir müssen über eine Anpassung der  Marktmachtkriterien nachdenken. Im Internet herrschen andere Mechanismen wie zum Beispiel Netzwerkeffekte oder Big Data. Im Moment stehen im Gesetz vor allem Kriterien, die in der Offline-Welt bedeutend sind. Dabei sollte auch beachtet werden, dass die internetspezifischen Effekte nicht nur anti-kompetitiv, sondern auch pro-kompetitiv wirken können. Denn wir wollen nicht das Internet lahmlegen. Wir wollen die neuen Märkte offen halten.

Handelsblatt: Was muss noch geändert werden?

Andreas Mundt: Wichtig ist eine gesetzliche Regelung dafür, dass auch Märkte, auf denen kein monetärer Gegenwert fließt, als Märkte im Sinne des Wettbewerbsrechts anerkannt werden. In der Praxis bewerten die Europäische Kommission und wir das bereits so. Denn natürlich nehmen Unternehmen wie etwa Google an einem Markt teil, obwohl das für die Nutzer der Suchmaschine nichts kostet. Auf der anderen Seite steht schließlich die Vermarktung der Daten gegenüber den Werbetreibenden. Man muss das gesamte Geschäftsmodell berücksichtigen. Eine derartige Klarstellung im Gesetz könnte unsere Arbeit erleichtern.

Handelsblatt: Was ist Ihre dritte Forderung?

Andreas Mundt: Der Transaktionswert bei einem Zusammenschluss muss eine Aufgreifschwelle bei der Fusionskontrolle sein.

Handelsblatt: Als Beispiel, warum diese Erweiterung der Kriterien wichtig ist, wird immer die Fusion der Kommunikationsunternehmen WhatsApp und Facebook herangezogen, die Sie aufgrund der derzeitigen Beschränkung auf das Umsatzkriterium nicht prüfen durften. Hätten Sie die Fusion verboten?

Andreas Mundt: Das kann ich beim besten Willen nicht beatworten, das würde eine intensive Prüfung voraussetzen.

Handelsblatt: Die EU-Kommission durfte prüfen und hat die Fusion erlaubt. Sie meinte, dass Facebook und WhatsApp auf verschiedenen Märkten agieren. 

Andreas Mundt: Klar ist, dass solche Transaktionen unsere Prognosekraft sehr stark herausfordern werden. Um den Deal Facebook und WhatsApp zu untersagen, hätte man WhatsApp als das Geschäftsmodell identifizieren müssen, das Facebook in Zukunft besonders gefährlich werden kann. Und das ist wirklich schwierig. Aber es ist sinnvoll, dass man sich solche Deals wenigstens genau anschaut. 

Handelsblatt: Wird das das Kriterium zu einer größeren Zahl der genehmigungspflichtigen Fusionen führen, wie es etwa die Start-up-Branche fürchtet?

Andreas Mundt: Wir wollen nicht jede kleine Fusion prüfen. Daher brauchen wir eine angemessene Schwelle im Gesetz. 

Handelsblatt: Ein anderer Bereich, wo Sie zu wenig Wettbewerb sehen, ist der Lebensmitteleinzelhandel. Dort haben Sie zuletzt die Fusion von Edeka und Kaiser‘s Tengelmann untersagt. Die haben jetzt vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf dagegen geklagt. Haben Sie damit gerechnet? 

Andreas Mundt: Das war zu erwarten. Die Unternehmen fahren jetzt zweigleisig. Sie wissen nicht genau, was aus der Ministererlaubnis wird, gegen die klagen ihre Konkurrenten ja auch in Düsseldorf. Außerdem geht es um die Maßstäbe für künftige Fusionsvorhaben. Es stehen ja vielleicht noch mehr Zusammenschlüsse in dem Bereich an. Wenn dem so sein sollte, dann würde unsere Bewertung der Märkte erst mal so stehen.

Handelsblatt: Wie haben Sie reagiert, als Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel die Fusion dann doch genehmigt hat – ohne wettbewerbliche Auflagen? Monopolkommissionschef Daniel Zimmer ist sogar zurückgetreten. 

Andreas Mundt: Die Überraschung war begrenzt. Ich will die Entscheidung nicht bewerten, aber mit den wettbewerblichen Folgen müssen wir und vor allem die Marktteilnehmer jetzt natürlich umgehen. Das Instrument der Ministererlaubnis finde ich nach wie vor sehr sinnvoll. Sonst hätte der gesamte politische Druck, die wettbewerblichen Bedenken mit dem möglichen Verlust von Arbeitsplätzen abzuwägen, uns im laufenden Verfahren erreicht. 

Handelsblatt: Muss das Instrument der Ministererlaubnis reformiert werden? 

Andreas Mundt: Nein.

Das Interview führten Dana Heide und Klaus Stratmann.

Quelle: Handelsblatt

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