"Die Behörden tun sich mit der Frage der Berücksichtigung von Compliance nicht leicht"

Compliance Manager: Herr Mundt, das „Netzwerk Submissionsabsprachen“ traf sich dieses Jahr zum dritten Mal. Was bedeutet für Sie dieser Austausch?

Mundt: Auslöser für die intensivierte Zusammenarbeit mit den Staatsanwaltschaften war die Häufung von Kartellfällen in den vergangenen Jahren, in denen die von uns verfolgten Absprachen im Umfeld von Ausschreibungen erfolgten. Unterschiedlichste Bereiche wie zum Beispiel Auftausalz, Feuerwehrfahrzeuge und –drehleitern, Dampfkessel für Braunkohlekraftwerke, Schienen, und Bergbauspezialarbeiten waren betroffen. Der Startschuss für das Netzwerk erfolgte 2012. Im Bereich des Submissionsbetruges gibt es eine gespaltene Zuständigkeit. Das Bundeskartellamt verfolgt primär die Unternehmen, die gegen das Kartellrecht verstoßen haben und die Staatsanwaltschaft die beteiligten natürlichen Personen, wegen etwaiger Verstöße gegen den Straftatbestand des Submissionsbetruges. Die Notwendigkeit einer Zusammenarbeit der Verfolgungsbehörden ist offenkundig. Das gab es schon früher, aber wir wollten die Zusammenarbeit intensivieren und eine gewisse Routine entwickeln.

Compliance Manager: Erklärtermaßen möchten Sie durch den Austausch die Kräfte „bündeln“ und einander gegenseitig unterstützen. An welchen Schnittstellen wollen Sie Ihre Zusammenarbeit verbessern?

Mundt: Es gibt viele Dinge, die wir gemeinsam machen müssen, wenn wir an einem Fall arbeiten. Es beginnt bei der Frage, wer tätig wird und wer welchen Fall aufgreift. Es muss organisiert werden, wie und in welchem Umfang wir eine Durchsuchung durchführen. Wir müssen uns beispielsweise darüber abstimmen, zu welchen Standorten wir gehen, wie viele Ermittler vor Ort nötig sind und wer welche Beweismittel sicherstellt. Wir können also hier unsere Kollegen, sowie die Vertreter der Staatsanwaltschaft und der Polizei bündeln. Ein anderes Beispiel ist der Umgang mit Instrumenten, die der eine hat und der andere nicht, damit meine ich die Bonus- oder Kronzeugenregelung. Das Bundeskartellamt kann kooperierenden Unternehmen und Personen einen Erlass oder eine Reduktion des Bußgeldes in Aussicht stellen, die Staatsanwaltschaft hat keine vergleichbare Regelung für den Submissionsbetrug zur Hand – wie organisieren wir das nun? Wie halten wir aufrecht, dass die natürlichen Personen weiterhin aussagebereit sind? Das brauchen wir wiederum, um unsere Fälle zu Ende zu bringen. Auch mit Auswertung beschlagnahmter Unterlagen und IT-Daten, Zeugenvernehmungen und anderer Ermittlungen sind grundsätzlich zwei Behörden befasst. Da ist es sinnvoll, zu koordinieren, wer was macht und wie man vorgeht. Wir haben also Ressourcen, die einander im Idealfall ergänzen und das, was mir machen, besser miteinander verzahnen.

Compliance Manager: Auf diesen Treffen wird viel an Erfahrung bei der Verfolgung der Submissionsabsprachen ausgetauscht. Worüber diskutieren Sie?

Mundt: Wir sprechen nicht über Einzelheiten laufender Verfahren. Aber es ist klar, dass die Gespräche relativ detailliert sind im Hinblick auf bestimmte Verfahrensweisen. Nehmen Sie zum Beispiel eine Durchsuchung. Das ist natürlich für alle Beteiligten eine besondere Situation. Wie geht man damit um, wie reagiert man auf bestimmte Reaktionen der Betroffenen? Wir tauschen uns darüber aus, welche Beweismittel für wen relevant sind und wo und wie man weitere Beweismittel finden könnte. Wir diskutieren Rechtsfragen, wie z.B. unter welchen Bedingungen eine Telefonüberwachung in Betracht kommt. Und schließlich überlegen wir uns auch, wie man noch mehr Fälle aufdecken kann, welche Indikatoren es für einen Submissionsbetrug gibt und wie man die potentiell geschädigten Vergabestellen bei der Aufdeckung stärker einbeziehen kann. Das sind alles nützliche Dinge, bei denen man von der Erfahrung der anderen stark profitieren kann.

Compliance Manager: Es ist der Entwurf eines Informationsblattes geplant, das mögliche Indizien bei den Submissionsabsprachen enthalten soll. Wieweit ist seine Ausarbeitung vorangeschritten? Wann steht es den Unternehmen zur Verfügung?

Mundt: Das Informationsblatt wurde vom Bundeskartellamt in Abstimmung mit den Teilnehmern des Netzwerks Submissionsbetrug entwickelt. Es enthält eine Übersicht typischer Verdachtsmomente für Submissionsabsprachen. Adressaten des Informationsblattes sind an sich die Vergabestellen in Deutschland. Es kann aber auch anderen, potentiell Kartellgeschädigten helfen, Kartelle aufzudecken. Das Informationsblatt wird in Kürze auf der Homepage des
Bundeskartellamts veröffentlicht sowie Vergabestellen zur Verfügung gestellt.

Compliance Manager: Unter einigen Juristen wird nach wie vor die Ansicht vertreten, dass bei der Verfolgung von Submissionsabsprachen doppelt bestraft wird, was wiederum nach Artikel 103 Abs. 3 GG verfassungswidrig sei. Wie ist hierzu Ihre Meinung?

Mundt: Das ist eine Haltung, die für mich ehrlich gesagt nicht nachvollziehbar ist. Vor allem vor dem Hintergrund, dass wir beim Bundeskartellamt auch die Möglichkeit haben, in normalen Kartellfällen, sowohl die natürlichen Personen als auch die Unternehmen mit einem Bußgeld zu belegen. Das ist auch akzeptiert und rechtstaatlich nicht in Frage zu stellen. Nun hat der Gesetzgeber eine Wertung getroffen, dass Submissionsabsprachen besonders verwerflich sind. Und weil es so ist, bestraft man die natürlichen Personen eben hier etwas härter. Das geschieht in der Form, dass es nicht nur eine Ordnungswidrigkeit ist, sondern auch das Strafrecht zum Zuge kommt. Die natürlichen Personen werden aber nicht doppelt bestraft, weil für deren strafrechtliche Verfolgung ausschließlich die Staatsanwaltschaft zuständig ist.

Compliance Manager: Letztes Jahr haben Sie im Rahmen des „Netzwerks Submissionsabsprachen“ über das Bonusprogramm für anzeigewillige Unternehmen diskutiert. Wie ist hier der heutige Stand?

Mundt: Mit dem Bonusprogramm haben wir natürlich ein extrem effizientes Ermittlungsinstrument. Die Hälfte der Kartellfälle geht insgesamt auf das Bonusprogramm zurück. Die Staatsanwaltschaft selbst hat jedenfalls für den Submissionsbetrug die Mittel in dieser Form nicht. Wir werben für dieses Bonusprogramm auch gegenüber der Staatsanwaltschaft. Gerade im Kartellbereich kommt den Hinweisen eines Insiders besondere Bedeutung zu, weil es da nicht als erstes darum geht, den Täter zu finden. Sondern es geht hier zunächst einmal darum, überhaupt die Tat zu identifizieren, und die Dunkelziffer dürfte hoch sein Im Rahmen des Netzwerkes haben wir thematisiert, was es für die Staatsanwaltschaft bedeutet, so ein Instrument nicht zur Verfügung zu haben und wie man damit umgeht. Überhaupt hat es zu Problembewusstsein Problembewusstsein auf beiden Seiten geführt. Man kann aber festhalten, dass auch die Staatsanwaltschaft davon profitiert, dass zumindest uns das Instrument zur Verfügung steht, weil das einen starken mittelbaren Druck in Richtung der Täter erzeugt in der Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft. Durch unseren Dialog konnten wir auch feststellen, dass die Staatsanwaltschaften sehr stark bemüht sind, im Rahmen der StPO rechtsstaatlich einwandfreie und praxistaugliche Lösungen zu finden, die sich an den Wertungen unserer Bonusregelungen ausrichten. Nach den Erfahrungen der letzten Jahre ist es so, dass jemand, der das Bonusprogramm genutzt hat und darüber hinaus auch mit der Staatsanwaltschaft kooperiert, eine Milderung bei der Strafzumessung erfahren kann. Wenn sich diese Praxis etabliert, kann sich das wiederum positiv auf die Bereitschaft der Täter auswirken, mit uns zusammenzuarbeiten.

Compliance Manager: Bekommt auch ein Unternehmen eine Strafmilderung, wenn es ein vernünftig ausgebautes Compliance Management System hat?

Mundt: Es gibt Behörden auf der Welt, die das Vorhandensein eines Compliance-Programmes berücksichtigen. Wir tun das nicht direkt bei der Frage der Strafzumessung. Aber ein Compliance-Programm hat natürlich für das Unternehmen trotzdem enorme Vorteile im Rahmen der behördlichen Verfolgung. Zum einen, wenn ein Compliance Officer einen Kartellverstoß findet, diesen abstellt, den Vorfall im Unternehmen aufarbeitet und das Kronzeugenprogramm nutzt, hilft es ja auch, als erster vorstellig zu werden und eventuell eine Kartellstrafe völlig zu vermeiden. Zum anderen kann im Verhältnis zwischen Mutter- und Tochterunternehmen ein gutes Compliance-Programm durchaus eine wichtige Rolle spielen, bei der Frage der Haftung der Mutter für die Tochter. Das ist ein weiterer großer Vorteil. Mit der Frage, ob man diese Compliance-Programme bei der Strafzumessung nutzen sollte oder nicht, tut sich keine Wettbewerbsbehörde leicht. Wir haben in Europa etwas divergierende Auffassungen darüber, was ich ein wenig misslich finde. Denn das ist aus meiner Sicht etwas, was wir im European Competition Network (ECN) diskutieren müssen.

Compliance Manager: Die Compliance Officer investieren sehr viel Zeit und Kraft in ihre Anti-Kartell-Schulungen. Und die Kartellbehörden haben immer noch gut zu tun. Schaut man Ihre Statistiken an, dann hat man nicht unbedingt das Gefühl, dass das zukünftig besser wird. Sind nun all diese Anti-Kartell-Trainings sinnlos?

Mundt: Es ist wie mit dem Strafgesetzbuch: Diebstahl ist auch verboten und unter Strafe gestellt und trotzdem kommt Diebstahl vor. Der Mensch ist nun einmal Mensch. Und Fehlverhalten wird es immer geben. Ich bin davon überzeugt, dass Compliance-Programme wirklich ihren guten Sinn haben, weil sie bei vielen Leuten ein Bewusstsein schaffen dafür, was erlaubt ist und wo man eine Grenze überschreitet, wo das Verhalten eben nicht mehr erlaubt ist. Das ist manchen gar nicht bewusst. Es gibt Rechtsbereiche, bei denen breiten Gesellschaftsschichten nicht klar, dass Dinge verboten sind. Zum Beispiel das Thema vertikale Preisbindung. Es gibt in Deutschland klare Regelungen dafür, dass der Hersteller die Preise gegenüber den Händlern nicht binden darf. Dennoch fehlt Vertriebsleuten mitunter das Bewusstsein hierfür, und ein Compliance-Programm kann eben dieses Bewusstsein schärfen. Aber dass Compliance-Programme Kartellverhalten ganz abstellen können, das wird man auch mit den härtesten Strafen nicht erreichen.

Compliance Manager: Ich habe Ihnen diese Frage gestellt, weil so mancher Compliance Officer schon an sich zweifelt, ob er womöglich bei seinen Anti-Kartell-Trainings den falschen Schwerpunkt setzt...

Mundt: Ich kenne viele Compliance-Programme. Man versucht im Unternehmen alles Mögliche, um kriminelle Handlungen zu vermeiden. Vorkommen kann es dennoch. Aber Compliance-Programme machen es eben schwerer.
Sie vermindern das Risiko. Und wir wissen natürlich überhaupt nicht, wie viel sie unter dem Strich tatsächlich verhindern.

Compliance Manager: Und damit sprechen Sie das ewige Problem von Compliance Managern an, ihren Mehrwert nachzuweisen. Wollen Sie ihnen nicht doch noch ein wenig helfen und von Ihrer Meinung abrücken?

Mundt: Ja, ich weiß, dass viele Compliance Officer damit kämpfen, auch wenn die genannten Vorteile eines Compliance-Programms den Vorständen zu vermitteln sein dürfte. Hilfestellungen für die Verbesserung unternehmensinternen Standings der Compliance-Verantwortlichen ist auch für mich so ein Punkt, wo ich immer wieder ins Grübeln komme. Denn die Compliance Officer sagen uns, wenn Ihr uns in der Bußgeldzumessung Sichtbarkeit verschaffen würdet, dann hätten wir es sehr viel leichter, Compliance im Management positiver zu besetzen. Das ist sicher ein Argument, über das man nicht einfach so hinweggehen kann. Aber, wie gesagt, keine Behörde tut sich damit leicht.

Interview: Irina Jäkel

Quelle: Compliance Manager 1/15.

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