"Wir schützen Wettbewerb"

Badische Zeitung: Warum kommt der Beschluss des Kartellamts zur Stromnetzvergabe von Titisee-Neustadt gerade jetzt?

Mundt: Der Zeitpunkt der Entscheidung hat ausschließlich interne Gründe. Die zuständige Beschlussabteilung musste angesichts begrenzter personeller Kapazitäten zwischenzeitlich andere Verfahren priorisieren.

BZ: Ist der Zeitpunkt also keine Reaktion auf die Klage der Gemeinde?

Mundt: Nein. Die Kommunalverfassungsbeschwerde der Gemeinde spielte keine Rolle.

BZ: Wäre es mit dem Beschluss nicht besser gewesen zu warten, bis das Verfassungsgericht entscheidet – zumindest, ob die Beschwerde zugelassen wird?

Mundt: Dafür gibt es keinen Grund. Die Frage, ob die Beschwerde vom Verfassungsgericht zugelassen wird, hat zunächst einmal nichts mit der Frage zu tun, ob unser Verfahren noch läuft oder bereits abgeschlossen ist. Darüber hinaus muss man wissen, dass sowohl der Bundesgerichtshof als auch alle Oberzivil- und Oberverwaltungsgerichte, die sich in der Vergangenheit mit dem Thema Konzessionsvergabe befasst haben, eine Verletzung der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie ausdrücklich verneint haben. Außerdem hat das Bundesverfassungsgericht bereits 2013 eine ähnliche Kommunalverfassungsbeschwerde der Stadt Heiligenhafen nicht zur Entscheidung angenommen.

BZ: An das Kartellamt werden öfter Vorwürfe laut, es treffe Entscheidungen nur aufgrund von wirtschaftlichen Kriterien in Bereichen, in denen auch andere Bewertungen eine Rolle spielen sollten. Im Streit mit dem Land um Forst BW heißt es etwa, der Umweltschutz werde nicht beachtet. Ist es richtig, in diesen Bereichen rein wirtschaftlich zu entscheiden?

Mundt: Der Auftrag des Bundeskartellamtes ist es, den Wettbewerb zu schützen. Damit erfüllen wir eine ganz elementare Funktion in unserer Wirtschaftsordnung. Umweltschutz oder die kommunalen Hoheitsrechte sind in diesem Sinne Rahmenbedingungen, innerhalb derer wir dieser Aufgabe nachkommen. Der Wald hat selbstredend wichtige Funktionen wie Erholung oder Naturschutz, die über seine Bedeutung als Wirtschaftsfaktor hinausgehen. Diese ökologischen Ziele werden besonders durch die Landeswaldgesetze definiert und durch die Länder im Rahmen ihrer hoheitlichen Tätigkeit durchgesetzt. Unser Verfahren hat insoweit keine Auswirkung auf das bestehende Schutzniveau. Auf der anderen Seite ist der Wald aber auch ein bedeutender Wirtschaftsfaktor. Mit dem Holz aus deutschen Wäldern werden Jahr für Jahr Milliarden umgesetzt. Wettbewerbliche Strukturen haben hier also eine Berechtigung. Anderen Bundesländern gelingt es ja auch, ihre Forstverwaltung kartellrechtskonform zu organisieren.

BZ: Im Fall Titisee-Neustadt führen Kritiker an, das Kartellamt übersehe das Recht auf kommunale Selbstversorgung.

Mundt: Für die Konzessionsvergabe hat der Gesetzgeber bestimmt, dass der am besten geeignete Versorger zum Zuge kommen soll. Es darf demnach keine ungerechtfertigte Bevorzugung des kommunalen Eigenbetriebes geben. Dahinter steht der Grundgedanke, dass Kommunen, wenn sie sich wirtschaftlich betätigen wollen, dies auch im Wettbewerb tun müssen. Der Wettbewerb als Korrektiv. Das ist ein wichtiges allgemein anerkanntes Prinzip. Ich hielte es für grundfalsch, dieses Prinzip aufzugeben, sonst zahlt am Ende der Bürger die Zeche.

BZ: Sie wenden Gesetze für Ihre Entscheidungen an – haben Sie nicht dennoch Spielraum?

Mundt: Wir sind eine rechtsanwendende Behörde. Wir entscheiden auf der Basis von umfassenden Marktanalysen sowie rechtlichen und ökonomischen Bewertungen. Gegen unsere Entscheidungen ist dann selbstverständlich der Rechtsweg eröffnet.

Interview: Sebastian Wolfrum

Quelle: Badische Zeitung vom 10.02.2015.

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